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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Olivares dazu gedrängt haben mochte –, dass Mantua noch immer unter Zwangsverwaltung stand und dass Nevers für etwas, was er noch gar nicht bekommen hatte, weder bezahlen noch nicht bezahlen konnte. Er verlor die Geduld und sandte zwanzigtausend Mann, die Stadt zu belagern. Der Papst, der bereits protestantische Söldnerhaufen durch Italien ziehen sah, dachte sofort an eine neue Plünderung Roms und schickte Truppen an die Grenze des Mantuanischen. Spinola, ehrgeiziger und resoluter als Gonzalo, beschloss, Casale erneut zu belagern, aber diesmal richtig. Kurzum, so folgerteRoberto, wenn man Kriege vermeiden will, dürfte man niemals Friedensverträge schließen.
    Im Dezember 1629 überschritten die Franzosen erneut die Alpen, und Carlo Emanuele hätte sie vertragsgemäß durchlassen müssen, aber er brachte, nur zum Beweis seiner Loyalität, erneut seine Ansprüche auf das Monferrat vor und ersuchte um sechstausend französische Soldaten zur Belagerung von Genua, was wahrhaftig seine fixe Idee war. Richelieu, der ihn für eine Schlange hielt, sagte weder ja noch nein. Ein Tischgenosse Robertos, ein Hauptmann, der sich in Casale kleidete, als ob er bei Hofe sei, erinnerte an einen Tag im Februar des vergangenen Jahres: »Es war ein prächtiges Fest, mes amis, es fehlten nur die Musiker vom Palais Royal, aber dafür gab's die Fanfaren! Seine Majestät, gefolgt von der Armee, sprengte vor Turin in einem goldbetressten schwarzen Rock, eine Feder am Hut, und der Brustharnisch schimmerte, dass es eine Pracht war!« Roberto hatte die Erzählung eines Sturmangriffs erwartet, aber nein, auch hier war's wieder nur eine Parade gewesen; der König griff nicht an, sondern machte einen überraschenden Abstecher nach Pinerolo und nahm es ein – oder nahm es wieder ein, wenn man bedenkt, dass es vor ein paar Jahrhunderten schon einmal eine französische Stadt gewesen war. Roberto hatte eine vage Vorstellung, wo Pinerolo lag, nämlich irgendwo im Südwesten von Turin, und er verstand nicht, wieso man es einnehmen musste, um Casale zu befreien. »Werden wir vielleicht in Pinerolo belagert?«, fragte er sich.
    Der Papst, besorgt über diese neue Wendung der Dinge, schickte einen Gesandten zu Richelieu mit dem Rat, die Stadt an Savoyen zurückzugeben. Bei der Erwähnung dieses Gesandten brach die Tischrunde in erregte Schmähreden aus: ein gewisser Giulio Mazzarini, ein Sizilianer, ein römischer Plebejer, ach was, viel schlimmer noch, überbot der Abbé: der Bastard eines obskuren Subjekts aus dem römischen Hinterland, man weiß nicht, wie zum Hauptmann befördert, ein Mann in Diensten des Papstes, aber mit allen Mitteln bemüht, das Vertrauen Richelieus zu gewinnen, der ihm inzwischen blind vertraute; und man musste ihn weiter im Auge behalten, war er doch im Moment gerade in Regensburg oder zumindest dorthin unterwegs, also in dieHöhle des Löwen – denn dort würde sich das Schicksal von Casale entscheiden, nicht in ein paar Minengängen oder Gegengängen.
    Unterdessen nahm Richelieu, da Carlo Emanuele den französischen Truppen die Verbindungslinien abzuschneiden versuchte, auch die Städte Annecy und Chambéry, und es kam bei Avigliana, kurz vor Turin, zu einem Zusammenstoß zwischen Savoyern und Franzosen. Und währenddessen bedrohten, in dieser langsamen, langen Partie, die Kaiserlichen Frankreich, indem sie in Lothringen einfielen, Wallenstein war unterwegs, um den Savoyern zu Hilfe zu kommen, und im Juli nahm überraschend eine Handvoll Kaiserlicher, auf Kähnen übergesetzt, eine Schleuse in Mantua, wonach das ganze Heer in die Stadt einfiel und sie sechzig Stunden lang plünderte. Der Herzogspalast wurde von oben bis unten leergeräumt, und die Lutheraner der kaiserlichen Armee räuberten, nur um dem Papst recht zu geben, alle Kirchen der Stadt aus. Jawohl, genau jene Landsknechte, die Roberto gesehen hatte, denn sie waren anschließend nach Casale gekommen, um Spinola unter die Arme zu greifen.
    Die französische Armee war noch im Norden beschäftigt, und niemand wusste, ob sie rechtzeitig eintreffen würde, bevor Casale fiel. Blieb also nur, auf Gott zu hoffen, sagte der Abbé, und: »Meine Herren, es ist politische Tugend, zu wissen, dass man die menschlichen Mittel anwenden muss, als ob es keine göttlichen, und die göttlichen, als ob es keine menschlichen gäbe.«
    »Also hoffen wir auf die göttlichen«, rief ein Edelmann, allerdings in einem alles andere als betrübten Ton, wobei er seinen Kelch derart heftig

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