Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
und auch die Offiziere hielten einen Angriff für nicht wahrscheinlich. Doch plötzlich erklang das Trompetensignal, und spanische Leichte Reiter erschienen.
    Roberto, der von Capitano Bassiani hinter einige Strohballen postiert worden war, die ein Loch in der Mauer verstopften, begriff nicht gleich, was vorging: Jedem Reiter folgte ein Musketier, und als sie beim Wassergraben angelangt waren, begannen die Reiter an ihm entlangzureiten, während die Musketiere das Feuer eröffneten und die wenigen Wachen liquidierten; danach warfen sie sich zu Boden und robbten in den Graben. Während die Reiter einen Halbkreis vor dem Tor bildeten und die Verteidiger durch intensiven Beschuss zwangen, in Deckung zu bleiben, erreichten die Musketiere ohne Verluste das Tor und die schlechter verteidigten Breschen.
    Die italienische Kompanie, die mit der Wache beauftragt war, ballerte ihre Waffen leer und lief dann in Panik auseinander, und dafür sollte sie noch lange geschmäht werden, aber auch die französischen Kompanien wussten nichts Besseres zu tun. Vom Beginn des Angriffs bis zur Erstürmung der Mauern waren nur wenige Minuten vergangen, und die Männer wurden von den eingedrungenen Angreifern überrascht, als sie ihre Waffen noch nicht ergriffen hatten.
    Die Feinde nutzten ihren Vorteil und metzelten die Überraschten nieder, und sie waren so zahlreich, dass, während einige noch die Lebenden niederstreckten, andere schon begannen, die Gefallenen zu plündern. Roberto, der auf die Musketiere geschossen hatte, war, als er mit Mühe nachlud, die Schulter noch schmerzend vom Rückstoß, durch den Angriff der Reiter überrascht worden, und die Hufe eines Pferdes, das über seinem Kopf durch die Bresche sprang, hatten die Barrikade über ihm zusammenstürzen lassen. Das war ein Glück für ihn, denn geschützt durch die Strohballen war er dem tödlichen ersten Ansturm entgangen, und nun spähte er unter dem Stroh hervor und sah mit Entsetzen, wie die Feinde den Verwundeten den Rest gaben, ihnen da einen Finger abschnitten, um einen Ring zu erbeuten, und dort eine Hand, um einen Armreifen zu ergattern.
    Capitano Bassiani schlug sich heldenmütig, um die Schande seiner geflohenen Männer wettzumachen, aber bald war er umzingelt und musste sich ergeben. Am Flussufer hatte man bemerkt, dass die Situation kritisch war, und Colonel La Grange, der das Fort gerade erst nach einer Inspektion verlassen hatte, um nach Casale zurückzukehren, wollte den Verteidigern zu Hilfe eilen, wurde jedoch zurückgehalten von seinen Offizieren, die ihm rieten, lieber Verstärkung aus der Stadt zu holen. Vom rechten Ufer legten weitere Boote ab, als Toiras, aus dem Schlaf gerissen, herangaloppiert kam. Bald hatten alle begriffen, dass die Franzosen geschlagen waren und dass nichts anderes mehr zu tun blieb, als den Entkommenen durch Sperrfeuer zu helfen, den Fluss zu erreichen.
    In diesem Durcheinander sah man den alten Pozzo, wie er staubaufwirbelnd zwischen dem Stab und der Bootsanlegestelle hin- und hergaloppierte, um unter den Entkommenennach seinem Sohn zu suchen. Als so gut wie sicher war, dass keine Boote mehr kommen würden, hörte man ihn »Himmelarsch!« rufen. Dann wählte er als ein Mann, der die Launen des Flusses kannte – und zugleich alle, die sich bisher mit Rudern abgemüht hatten, als Esel hinstellend –, eine Stelle vor einer der Inseln im Fluss, gab seinem Pferd die Sporen und ritt ins Wasser. Über eine Furt gelangte er ans andere Ufer, ohne dass sein Pferd auch nur einmal hatte schwimmen müssen, und preschte wie ein Irrer mit erhobenem Degen zum Fort.
    Eine Gruppe feindlicher Musketiere trat ihm entgegen, als der Himmel schon heller zu werden begann, ohne dass sie begriffen, wer jener Einzelkämpfer war: Der Einzelkämpfer ritt sie nieder, wobei er mindestens fünf von ihnen mit sicheren Hieben zu Boden streckte, traf sodann auf zwei Reiter, ließ sein Pferd sich aufbäumen, beugte sich nieder, um einem Hieb auszuweichen, richtete sich blitzartig wieder auf und ließ seine Klinge einen Kreis durch die Luft beschreiben: Der erste Gegner sank aus dem Sattel, während ihm die Eingeweide an den Stiefeln hinunterglitten und das Pferd davonlief, der andere blieb mit weit aufgerissenen Augen sitzen und tastete mit den Fingern nach einem Ohr, das ihm, mit einem Hautfetzen noch an der Wange befestigt, unterm Kinn hing.
    Derweilen war Pozzo beim Fort angelangt, und die Invasoren, die noch damit beschäftigt waren, die letzten von hinten

Weitere Kostenlose Bücher