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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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hochgespannter Aktionen, die er im vollen Sonnenlicht miterlebt hatte, so dass die gleißenden Tage der Belagerung, die seine Erinnerung vor ihm wiedererstehen ließ, ihn für sein bleiches Vagabundieren entschädigten. Und vielleicht war da noch etwas anderes. Im ersten Teil seines Lebens hatte Roberto nur zwei Perioden gehabt, in denen er etwas gelernt hatte über die Welt und die verschiedenen Arten, in ihr zu leben – ich meine die wenigen Monate in Casale und die letzten Jahre in Paris; nun durchlebte er seine dritte Bildungsphase, vielleicht die letzte, an deren Ende die Reife mit der Auflösung zusammengefallen sein würde, und er versuchte, sich die geheime Botschaft dieser Phase zu erschließen, indem er die Vergangenheit als eine Figur der Gegenwart ansah.
     
    Casale war zu Beginn eine Geschichte von Ausfällen gewesen. Roberto erzählt sie seiner Signora, indem er sie überhöht, als wollte er damit sagen, dass er – unfähig, wie er damals gewesen war, die Festung seines jungfräulichenSchnees zu bezwingen, verstört, aber nicht zerstört von der Flamme seiner zwei Sonnen – unter der Flamme einer anderen Sonne doch immerhin fähig gewesen war, sich denen entgegenzustellen, die seine monferrinische Zitadelle einer Belagerung unterzogen.
     
    Am Morgen nach ihrer Ankunft hatte Toiras einige unbegleitete Offiziere losgeschickt, die mit geschulterter Büchse herausfinden sollten, was die Neapolitaner auf dem am Vortag eroberten Hügel installierten. Sie hatten sich zu weit vorgewagt, es war zu einem Schusswechsel gekommen, und ein junger Leutnant des Regiments Pompadour war getötet worden. Seine Kameraden hatten ihn in die Stadt zurückgebracht, und so hatte Roberto den ersten getöteten Toten seines Lebens gesehen. Toiras beschloss, die Häuser besetzen zu lassen, von denen er am Vortag gesprochen hatte.
    Von den Bastionen aus konnte man das Vorgehen der zehn losgeschickten Musketiere gut verfolgen: An einem bestimmten Punkt teilten sie sich, um das erste der Häuser in die Zange zu nehmen. Auf den Stadtmauern ging eine Kanonade los, die über ihre Köpfe hinweg das Dach des Hauses abdeckte: Wie aufgescheuchte Insekten kamen einige Spanier heraus und liefen davon. Die Musketiere ließen sie laufen, besetzten das Haus, verbarrikadierten sich und begannen, den Hügel unter Beschuss zu nehmen.
    Es bot sich an, die Operation bei anderen Häusern zu wiederholen: Auch von den Bastionen aus konnte man jetzt sehen, dass die Neapolitaner anfingen, Schützengräben auszuheben und sie mit Faschinen und Schanzkörben zu umgeben. Aber diese Gräben legten sich nicht um die Hügel, sondern wuchsen in die Ebene hinaus. Roberto lernte, dass es immer so anfing, wenn Minengänge gegraben wurden. Waren diese Gänge erst einmal an der Stadtmauer angelangt, würden sie auf dem letzten Stück mit Pulverfässern gefüllt werden. Es galt also zu verhindern, dass die Grabungen einen Punkt erreichten, von dem aus sie unterirdisch fortgesetzt werden konnten, sonst würden die Feinde von jenem Punkt an in Deckung weitergraben können. Bei dem ganzen Spiel ging es darum, von außen und im Freien den Bau vonGängen zu verhindern und selber Gegengänge zu graben, bis die Entsatzarmee eintraf – vorausgesetzt, dass die Lebensmittel und Munitionsvorräte so lange reichten. Bei einer Belagerung gibt es nichts anderes zu tun, nichts als die anderen zu behindern und abzuwarten.
    Am nächsten Morgen kam dann wie versprochen der Sturm auf das Fort. Roberto fand sich, die Büchse im Arm, inmitten eines undisziplinierten Haufens von Leuten, die keine Lust gehabt hatten, in Lù, in Cuccaro oder in Odalengo zu arbeiten, sowie umgeben von schweigsamen Korsen, alle zusammengedrängt auf Booten, um den Po zu überqueren, nachdem zwei französische Kompanien bereits ans andere Ufer übergesetzt waren. Toiras mit seinem Gefolge beobachtete die Aktion vom rechten Ufer aus, und der alte Pozzo winkte seinem Sohn einen Gruß zu, indem er ihm zuerst mit der Hand »Los, los!« bedeutete und sich dann den Zeigefinger ans Jochbein legte, um ihm zu signalisieren: »Augen auf!«
    Die drei Kompanien verbarrikadierten sich im Fort. Der Bau war nicht fertiggestellt worden, und Teile waren schon wieder eingestürzt. Die Männer verbrachten den Tag damit, die Löcher in den Mauern zu stopfen, aber das Fort wurde gut geschützt durch einen Graben, vor den einige Wachen postiert worden waren. Als die Nacht kam, war der Himmel so klar, dass die Wachen eindösten,

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