Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
verkaufen, was sie ihm gerade wegnehmen wollten, indem er ihnen die Festung Susa im Tausch gegen eine französische Stadt anbot.
    Ein Tischgenosse Robertos erzählte die Geschichte in amüsiertem Ton. Richelieu habe den Herzog in schönem Sarkasmus fragen lassen, ob er Orleans oder Poitiers vorziehe, derweil sei ein französischer Offizier vor der Garnison von Susa erschienen und habe um Quartier für den König von Frankreich gebeten. Der savoyische Garnisonskommandant, der ein Mann von Geist war, habe erwidert,vermutlich werde Seine Hoheit der Herzog überglücklich sein, Seine Majestät zu beherbergen, aber da Seine Majestät mit einem so großen Gefolge gekommen sei, müsse man ihm schon gestatten, zuerst Seine Hoheit zu avisieren. Mit nicht geringerer Eleganz habe daraufhin der Maréchal de Bassompierre, im Schnee karakolierend, den Hut vor seinem König gezogen, ihm gemeldet, dass die Musiker Einzug gehalten hätten und die Türsteher an der Tür stünden, und habe um die Erlaubnis gebeten, den Tanz zu beginnen ... Richelieu las eine Messe auf freiem Feld, die französische Infanterie griff an, und Susa wurde genommen.
    Bei diesem Stand der Dinge entschloss sich Carlo Emanuele, Ludwig XIII. als seinen hochgeehrten Gast zu behandeln, ritt ihm entgegen, um ihn willkommen zu heißen, und bat ihn lediglich, keine Zeit mit Casale zu verlieren, das er schon selber besetzen werde, sondern ihm stattdessen zu helfen, Genua einzunehmen. Er wurde höflich aufgefordert, keine Unbesonnenheiten zu sagen, sodann wurde ihm eine schöne Gänsefeder in die Hand gedrückt, auf dass er einen Vertrag unterzeichne, in welchem er den Franzosen gestattete, sich in Piemont frei zu bewegen, wie immer es ihnen beliebte. Als Gegenleistung ließen sie ihm Trino und auferlegten dem Herzog von Mantua, ihm einen jährlichen Pachtzins für das Monferrat zu bezahlen. »Und so musste der Nevers«, schloss der Tischgenosse, »um sein Erbe zu kriegen, Pachtzins an einen bezahlen, der es nie besessen hatte!«
    »Und er hat bezahlt!«, lachte ein anderer. »Der Idiot!«
    »Nevers hat immer für seine Narreteien bezahlt«, sagte ein Abbé, der Roberto als Toiras' Beichtvater vorgestellt worden war. »Nevers ist ein Narr Gottes, der sich für Sankt Bernhard hält. Er hat immer nur daran gedacht, die christlichen Fürsten zu einem neuen Kreuzzug zusammenzubringen. Man stelle sich vor, in Zeiten, da sich die Christen gegenseitig umbringen, meint er, es kümmere sich noch jemand um die Ungläubigen! Ihr Herren von Casale, wenn von Eurer liebenswerten Stadt hier noch ein Stein auf dem anderen bleibt, müsst Ihr Euch gewärtig sein, dass Euer neuer Herr Euch alle nach Jerusalem einlädt!« Der Abbé lächelte amüsiert und strich sich den gepflegten blonden Schnurrbart, während Roberto dachte: Sieh an, heute Morgen wäre ichbeinahe für einen Narren gestorben, und dieser Narr wird hier Narr genannt, weil er, genau wie ich es getan habe, von den Zeiten der schönen Melisande und des Aussätzigen Königs träumt!
    Auch die weiteren Geschehnisse erlaubten Roberto nicht, sich zwischen den verschiedenen Strängen jener Geschichte zurechtzufinden. Verraten von Carlo Emanuele, begriff Gonzalo de Córdoba, dass er den Feldzug verloren hatte, anerkannte das Abkommen von Susa und führte seine achttausend Mann zurück nach Mailand. Eine französische Garnison installierte sich in Casale, eine weitere in Susa, und der Rest von Ludwigs Armee ging über die Alpen zurück, um die letzten Hugenotten im Languedoc und im Rhonetal zu erledigen.
    Aber keiner von all diesen hohen Herren dachte daran, sich an die Verträge zu halten, und die Tischgenossen sprachen darüber, als wäre es die natürlichste Sache der Welt, ja, einige billigten es ausdrücklich unter Verweis auf »la Raison d'Estat, ah, la Raison d'Estat« . Aus Staatsräson sah Olivares ein – und wie Roberto verstand, war Olivares so etwas wie ein spanischer Richelieu, nur weniger vom Glück verwöhnt –, dass er eine sehr schlechte Figur gemacht hatte, woraufhin er Gonzalo in übler Weise entließ, Ambrosio Spinola an seine Stelle setzte und zu behaupten begann, die Spanien angetane Beleidigung ziele gegen die Kirche. »Unsinn«, kommentierte der Abbé, »Urban VII. hat die Erbfolge des Nevers favorisiert.« Und Roberto fragte sich, was der Papst mit Geschichten zu tun hatte, die in keiner Beziehung zu Fragen des Glaubens standen.
    Unterdessen erinnerte sich der Kaiser – und wer weiß, wie sehr ihn

Weitere Kostenlose Bücher