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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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schwenkte, dass ein paar Tropfen auf den Rock des Abbé schwappten. »Monsieur, Ihr habt mich mit Wein befleckt!«, rief dieser empört, wobei er erbleichte, was damals die Art war, wie man sich entrüstete. »Nehmt's einfach«, versetzte der andere, »als wär's Euch während der Konsekration passiert. Wein dort, Wein hier.«
    »Monsieur de Saint-Savin«, rief der Abbé, während er aufsprang und nach seinem Degen griff, »nicht zum ersten Male entehrt Ihr Euren Namen, indem Ihr den Unseres Himmlischen Herrn lästert! Ihr hättet besser daran getan, in Pariszu bleiben, um dort – Gott vergebe mir – die Damen zu entehren, wie es Brauch ist bei Euch Pyrrhonisten!«
    »Wohlan«, erwiderte Saint-Savin offensichtlich betrunken. »Wir Pyrrhonisten gehen nachts den Damen ein Ständchen bringen, und die kecken Männer, die mal 'n schönen Schuss landen wollen, schließen sich uns an. Aber wenn dann die Dame nicht am Fenster erscheint, wissen wir, dass sie nur darum nicht kommt, weil sie das Bett nicht verlassen will, das ihr der Hausgeistliche wärmt.«
    Die anderen Offiziere sprangen auf, um den Abbé festzuhalten, der blankziehen wollte. Monsieur de Saint-Savin sei vom Wein berauscht, riefen sie, und man müsse einem solchen Manne schon etwas zugutehalten, der sich in diesen Tagen so wacker geschlagen habe, und es sei doch ein wenig Respekt für die gefallenen Kameraden geboten.
    »Sei's drum«, lenkte der Abbé ein, während er hinausging. »Monsieur de Saint-Savin, ich fordre Euch auf, die Nacht mit einem De Profundis für unsere dahingegangenen Freunde zu beschließen, und ich werde auf Satisfaktion verzichten.«
    Der Abbé ging hinaus, und Saint-Savin, der direkt neben Roberto saß, beugte sich über seine Schulter und sagte: »Die Hunde und die Wasservögel lärmen nicht so viel wie wir, wenn wir ein De Profundis jaulen. Wozu so viel Glockenläuten und so viele Messen, um die Toten zu wecken?« Er leerte seinen Kelch in einem Zuge und ermahnte Roberto mit erhobenem Zeigefinger, als wollte er ihn zu einem aufrechten Leben erziehen und in die höchsten Mysterien unserer heiligen Religion einweihen: »Monsieur, Ihr könnt stolz sein: Ihr seid heute um Haaresbreite einem schönen Tod entgangen, also verhaltet Euch auch in Zukunft mit gleicher Sorglosigkeit und im Wissen, dass die Seele mit dem Leibe stirbt. Und geht in den Tod, nachdem Ihr das Leben genossen habt. Wir sind allzumal Tiere unter Tieren, Kinder der Materie wie sie, nur wehrloser. Doch da wir im Unterschied zu den Tieren wissen, dass wir sterben müssen, wollen wir uns auf jenen Augenblick vorbereiten, indem wir das Leben genießen, das uns durch Zufall und vom Zufall gegeben ist. Die Weisheit lehrt uns, unsere Tage zum Trinken und zum liebenswürdigen Gespräch zu nutzen, wie sich's für Edelleute geziemt, die niederen Seelen verachtend. Kameraden, das Leben ist uns etwas schuldig! Wirverfaulen hier in Casale, und leider sind wir zu spät geboren, um die Zeiten des guten Königs Heinrich zu genießen, als man im Louvre noch Bastarden und Affen begegnen konnte, Irren und Hofnarren, Zwergen und Krüppeln, Musikern und Poeten, und der König hatte seine Freude daran. Heutzutage tönen Jesuiten, geil wie die Ziegenböcke, gegen jene, die Rabelais lesen und sich an den lateinischen Dichtern ergötzen, und sie hätten uns alle gern tugendsam und allzeit bereit, die Hugenotten niederzumachen. Herrgott im Himmel, Krieg ist was Schönes, aber ich will mich für mein Vergnügen schlagen und nicht, weil mein Gegner am Freitag Fleisch isst. Die Heiden waren weiser als wir. Auch sie hatten ihre drei Gottheiten, aber ihre Mutter Kybele erhob wenigstens nicht den Anspruch, die beiden anderen geboren zu haben und dabei auch noch Jungfrau geblieben zu sein.«
    »Monsieur!«, protestierte Roberto, während die anderen lachten.
    »Monsieur«, erwiderte Saint-Savin, »die erste Qualität eines Mannes von Ehre ist die Verachtung einer Religion, die will, dass wir Furcht vor der allernatürlichsten Sache der Welt haben, nämlich vor dem Tod, und Hass auf das einzig Schöne, was uns das Schicksal gegeben hat, nämlich das Leben, und Hoffnung auf einen Himmel, in dem in ewiger Seligkeit nur die Planeten wohnen, die sich weder eines Lohnes noch einer Verdammnis erfreuen, sondern nur ihres ewigen Kreisens in den Armen der Leere. Seid stark wie die Weisen im alten Griechenland und seht dem Tod mit festem und furchtlosem Blick ins Auge. Jesus hat zu viel geschwitzt, als er ihn

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