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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Logik hätte sicherlich Einwände gegen diesen paralogischen Schluss erhoben, doch für Roberto mochte er vorerst genügen.

 
    6
    GROSSE KUNST DES LICHTS
    UND DER SCHATTEN
     
    N achdem er seinen Brief den ersten Erinnerungen an die Zeit der Belagerung gewidmet hatte, fand Roberto in der Kapitänskajüte einige Flaschen spanischen Weins. Wir können es ihm nicht verdenken, wenn er, nachdem er Feuer gemacht und sich ein paar Eier mit Stückchen geräucherten Fisches gebraten hatte, eine der Flaschen entkorkte und sich ein königliches Mahl an einem beinahe nach allen Regeln der Kunst gedeckten Tisch gönnte. Wenn er lange Zeit schiffbrüchig bleiben sollte, würde er, um nicht zu vertieren, sich an die guten Sitten halten müssen. Er erinnerte sich, dass in Casale, wenn die Verwundungen und die Krankheiten selbst die Offiziere dazu verleiteten, sich wie Schiffbrüchige zu benehmen, Seigneur de Toiras darauf bestand, dass zumindest bei Tisch ein jeder sich darauf besann, was er in Paris gelernt hatte: »In sauberen Kleidern erscheinen, nicht nach jedem Happen einen Schluck trinken, sich vor dem Trinken den Bart und den Schnurrbart abwischen, sich nicht die Finger ablecken, nicht in den Teller spucken, sich nicht in die Tischdecke schneuzen. Wir sind schließlich keine Kaiserlichen, Messieurs!«
    Am nächsten Morgen war er beim ersten Hahnenschrei aufgewacht, aber noch lange liegengeblieben. Als er dann von neuem, diesmal von der Galerie aus, das Fenster bis auf einen Spalt geschlossen hatte, begriff er, dass er später als am vorigen Tag aufgestanden war und die Dämmerung schon in die Morgenröte überging: Hinter den Hügeln wurde der Himmel zwischen mehlig zerstäubenden Wölkchen schon rosa.
    Da jedoch die ersten Strahlen schon bald den Strand erhellen und damit für seine Augen unerträglich machen würden, beschloss Roberto, dorthin zu schauen, wo die Sonne nochnicht herrschte, und begab sich über die Galerie auf die andere Seite der Daphne , von der aus man das Land im Westen sah. Es erschien ihm zunächst wie ein ausgezacktes, gleichmäßig türkisblaues Profil, doch schon nach wenigen Minuten begann es sich in zwei horizontale Streifen zu teilen: Ein grünes Band mit hellgrünen Palmen leuchtete bereits unter der dunklen Zone der Berge, über der noch beharrlich die Wolken der Nacht dominierten. Doch auch diese, im Zentrum noch tiefschwarz, zerfaserten langsam an den Rändern in eine Mischung aus Weiß und Rosa.
    Es war, als würde die Sonne, anstatt die Wolken frontal anzustrahlen, sich abmühen, aus ihrem Innern hervorzubrechen, und als würden die Wolken, obwohl an den Rändern in Licht zerfließend, nebelschwer anschwellen, um trotzig sich zu behaupten und den Himmel nicht zu einem getreuen Spiegel des Meeres werden zu lassen, das jetzt wunderbar klar und hell dalag, glitzernd von blendenden Flecken, als glitten Schwärme von Fischen mit einer inneren Lampe vorbei. Schon bald jedoch gaben die Wolken der Aufforderung des Lichtes nach und kamen mit sich selbst nieder, indem sie über den Gipfeln vergingen, und schmiegten sich einerseits in die Falten der Hänge, um sich zu verdichten und festzusetzen, weich wie Sahne, wo sie nach unten flossen, kompakter oben, wo sie etwas wie eine Schneewehe bildeten, und explodierten andererseits, während die Schneewehe auf dem Gipfel zu einem einzigen Eislavastrom gerann, um pilzförmig in die Luft aufzusteigen, als köstliche Eruptionen in einem Schlaraffenland.
    Was er sah, konnte vielleicht genügen, seinen Schiffbruch zu rechtfertigen – nicht so sehr wegen des Vergnügens, das jenes rege Sichaufspielen der Natur ihm bereitete, als wegen des Lichts, das jenes Licht auf gewisse Worte warf, die ihm der Kanonikus von Digne gesagt hatte.
     
    Bis zu diesem Moment hatte er sich nämlich oft gefragt, ob er nicht träumte. Was ihm widerfuhr, pflegte den Menschen gewöhnlich nicht zu widerfahren, allenfalls konnte es ihn an die Romane seiner Kindheit erinnern: Wie Traumgeschöpfe waren sowohl das Schiff als auch die Geschöpfe, die er auf ihm vorgefunden hatte. Vom selben Stoff, aus dem die Träumesind, erschienen ihm auch die Schatten, die ihn seit drei Tagen umgaben, und dabei machte er sich kühlen Kopfes bewusst, dass sogar die Farben, die er im Pflanzengarten und im Vogelhaus bewundert hatte, nur seinen erstaunten Augen so leuchtend erschienen waren, in Wirklichkeit enthüllten sie sich durch jene Patina wie auf alten Lauten, die alle Gegenstände im Schiff

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