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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ihrer Schönheit ist er sich zweifelsfrei gewiss.
    »Nun gut, Ihr liebt«, reagierte Saint-Savin leichthin. »Das kommt vor. Es scheint, dass die Menschen sich daran ergötzen, im Unterschied zu den Tieren.«
    »Lieben denn die Tiere nicht?«
    »Nein, die einfachen Maschinen lieben nicht. Was tun die Räder eines Wagens an einem Hang? Sie rollen nach unten. Die Maschine ist ein Gewicht, und das Gewicht strebt abwärts, getrieben nur von der blinden Notwendigkeit, die es nach unten drängt. So auch das Tier, es strebt zum Beischlaf und gibt keine Ruhe, bis es ihn hat.«
    »Aber habt Ihr nicht neulich gesagt, dass auch die Menschen Maschinen sind?«
    »Ja, aber die menschliche Maschine ist komplexer als die mineralische und die tierische, sie hat Gefallen an einer Pendelbewegung.«
    »Wie meint Ihr das?«
    »Nun, Ihr liebt, das heißt, Ihr begehrt und begehrt zugleich nicht. Die Liebe macht feindlich gegen sich selbst. Ihr fürchtet, wenn Ihr das Ziel erreicht habt, seid Ihr enttäuscht. Ihr ergötzt Euch in limine , auf der Schwelle, wie die Theologen sagen, Ihr genießt die Verzögerung.«
    »Das ist nicht wahr, ich ... ich will sie sofort!«
    »Wenn es so wäre, wäret Ihr immer noch bloß ein Bauer. Doch Ihr habt Geist. Wenn Ihr sie wolltet, hättet Ihr sie Euch schon genommen – und wäret ein Rohling. Nein, Ihr wollt, dass Euer Verlangen sich entzünde und dass sich auch ihr Verlangen entzünde. Würde sich aber das ihre so rasch entzünden, dass sie Euch sofort nachgäbe, so würdet Ihr sie wahrscheinlich nicht mehr wollen. Liebe gedeiht im Warten. Das Warten geht durch die weiten Räume der Zeit zum Mittelpunkt der Gelegenheit.«
    »Aber was mache ich inzwischen?«
    »Macht ihr den Hof.«
    »Aber ... sie weiß noch nichts, und ich muss Euch gestehen, ich habe Schwierigkeiten, mich ihr zu nähern ...«
    »Schreibt ihr einen Brief, und erklärt ihr Eure Liebe.«
    »Aber ich habe noch nie einen Liebesbrief geschrieben! Ja, ich schäme mich, es zu sagen, aber ich habe überhaupt noch nie einen Brief geschrieben.«
    »Wenn die Natur uns im Stich lässt, wenden wir uns an die Kunst. Ich werde ihn Euch diktieren. Ein Edelmann ergötzt sich häufig damit, Briefe an Damen aufzusetzen, die er noch nie gesehen hat, und ich bilde da keine Ausnahme. Als Nichtliebender kann ich besser über die Liebe sprechen als Ihr, den die Liebe stumm macht.«
    »Aber ich glaube, jeder Mensch liebt anders ... Es wäre ein künstlicher Brief.«
    »Würdet Ihr Eure Liebe im Ton der Aufrichtigkeit erklären, Ihr stündet da wie ein Tölpel.«
    »Aber ich würde die Wahrheit sagen ...«
    »Die Wahrheit ist eine ebenso schöne wie schamhafte Jungfer, und darum geht sie immer in ihren Mantel gehüllt.«
    »Aber ich will ihr meine Liebe erklären, nicht die, die Ihr beschreiben würdet!«
    »Und um sie glaubhaft zu machen, müsst Ihr sie formen. Es gibt keine Vollkommenheit ohne den Schliff durch die Kunst.«
    »Aber sie wird merken, dass der Brief nicht an sie gerichtet ist.«
    »Keine Angst. Sie wird glauben, was ich Euch diktiere, sei genau für sie geschrieben. Los, setzt Euch hin und schreibt. Lasst mich nur rasch noch Inspiration suchen.«
    Saint-Savin schwebte durch den Raum – schreibt Roberto – als mimte er den Flug einer Biene auf der Heimkehr zur Wabe. Er tänzelte fast und ließ die Augen umherschweifen, als müsse er den Text des Briefes aus der Luft ablesen. Dann begann er.
    »Signora ...«
    »Signora?«
    »Nun, wie würdet Ihr sie denn anreden? Vielleicht: He du, Casalisches Hürchen?«
    »Puta de los franceses« , murmelte Roberto unwillkürlich, erschrocken, dass Saint-Savin, sei's auch nur im Spiel, so nahe wenn nicht der Wahrheit, so jedenfalls der Beschimpfung gekommen war.
    »Was habt Ihr gesagt?«
    »Nichts. Ist gut. Signora. Und weiter?«
    »Signora, in der wunderbaren Architektur des Universums stand bereits seit dem ersten Tage der Schöpfung geschrieben, dass ich Euch begegnen und lieben würde. Doch seit der ersten Zeile dieses Briefes fühle ich schon, wie meine Seele sich derart heftig verströmt, dass sie meine Lippen und meine Feder allein gelassen haben wird, noch bevor ich zum Ende gekommen sein werde.«
    »... gekommen sein werde. – Aber ich weiß nicht, ob das verständlich ist für ...«
    »Das Wahre wird umso höher geschätzt, je mehr es mit Schwierigkeiten gespickt ist, und am höchsten geschätzt wird die Enthüllung, die uns viel gekostet hat. Heben wir lieber den Ton noch ein wenig. Sagen wir also

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