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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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wir alles wissen ...«
    »Ja, aber kaum dass wir es wüssten, würden wir aufhören zu wissen«, sagte Roberto.
    Und das Schiff hatte seine Reise fortgesetzt, weiter voran in sepiafarbenen Meeren.
     
    Die Tage verliefen gleichförmig. Wie Mazarin vorausgesehen hatte, konnte Roberto sich nur mit den Leuten seines Standes unterhalten. Die Seeleute waren finstere Gesellen, bei denen man erschrak, wenn man einem von ihnen nachts an Deck begegnete. Die Reisenden waren hungrig und krank und beteten immerfort. Die drei Assistenten von Byrd hätten es nicht gewagt, sich an seinen Tisch zu setzen, und huschten nur leise umher, um seine Anweisungen auszuführen. Der Kapitän war, als wäre er nicht vorhanden: abends war er meist schon betrunken, und außerdem sprach er nur Flämisch.
    Byrd war ein hagerer und trockener Brite mit einem gewaltigen Rotschopf, der als Seezeichen hätte dienen können. Roberto, der sich zu waschen versuchte, wann immer er konnte, und den Regen nutzte, um seine Kleider zu spülen, hatte ihn in all den Monaten ihrer Reise niemals sein Hemd wechseln sehen. Glücklicherweise ist, auch für einen an die Pariser Salons gewöhnten jungen Mann, der Gestank eines Schiffes derart, dass man den der eigenen Artgenossen nicht mehr bemerkt.
    Byrd war ein robuster Biertrinker, und Roberto hatte bald gelernt, ihm standzuhalten, indem er zu trinken vorgab, aber den Pegel in seinem Glas immer mehr oder weniger auf demselben Stand ließ. Und da Byrd offenbar nur leere Gläser zu füllen gelernt hatte und das seine immerzu leer war, füllte er eben dieses und erhob es, um Trinksprüche auszubringen. Der Malteser trank nicht, er hörte nur zu und stellte Fragen.
    Byrd sprach ein passables Französisch, wie alle Engländer, die zu jener Zeit außerhalb ihrer Insel reisen wollten, und er zeigte sich sehr interessiert an Robertos Berichten über den Weinbau im Monferrat. Roberto hörte sich wohlerzogen an, wie in London das Bier gebraut wurde. Danach unterhielten sie sich über das Meer. Roberto war zum ersten Mal auf See, aber Byrd schien nicht allzu viel über seine Erfahrungen sagen zu wollen. Der Malteser stellte nur Fragen, die den Punkt betrafen, wo sich die Insel Escondida befinden könnte, aber da er keinerlei Spur anzugeben vermochte, erhielt er keine Antworten.
    Angeblich machte Doktor Byrd jene Reise, um die exotische Flora zu studieren, und Roberto stellte ihm gelegentlich Fangfragen zu dem Thema. Byrd war durchaus nicht unbewandert in Pflanzenkunde, was ihn in die Lage versetzte, sich in langen Darlegungen zu ergehen, die Roberto mit Interesse anzuhören vorgab. Tatsächlich sammelten Byrd und seine Assistenten an jeder Küste allerlei Pflanzen, wenn auch nicht mit der Sorgfalt von Wissenschaftlern, die extra zu diesem Zweck unterwegs waren, und viele Abende vergingen mit dem Examinieren der Ausbeute.
    In den ersten Tagen hatte Byrd versucht, Robertos Vergangenheit zu erfahren, auch die des Maltesers, als misstraute er ihnen. Roberto hatte die in Paris vereinbarte Version gegeben: Als Savoyer habe er in Casale aufseiten der Kaiserlichen gekämpft, sei dann in Schwierigkeiten geraten, zuerst in Turin und danach in Paris mit einer Reihe von Duellen, habe schließlich das Pech gehabt, einen Schützling des Kardinals zu verletzen, und sei daraufhin in die Südsee gefahren, um möglichst viel Wasser zwischen sich und seine Verfolger zu bringen. Der Malteser erzählte viele verschiedene Geschichten, einige spielten in Venedig, andere in Irland, wieder andere in Mittelamerika, aber man verstand nicht recht, welche davon seine waren und welche die von anderen.
    Schließlich entdeckte Roberto, dass es Byrd gefiel, über Frauen zu reden. So erfand er stürmische Liebesgeschichten mit stürmischen Kurtisanen, dem Doktor glänzten die Augen, und er nahm sich von neuem vor, eines Tages Paris zu besuchen. Dann fasste er sich wieder und sagte, die Papisten seien doch alle verdorben. Roberto gab zu bedenken, dassviele Savoyer quasi Hugenotten seien. Der Malteser bekreuzigte sich und fing erneut an, über Frauen zu reden.
     
    Bis zur Landung auf Más Afuera schien das Leben des Doktors nach festen Regeln zu verlaufen, und wenn er an Bord Beobachtungen anstellte, dann nur, während die anderen an Land waren. Während der Fahrt hielt er sich tagsüber an Deck auf, saß abends lange mit seinen Zechkumpanen zusammen und schlief dann gewiss den Rest der Nacht. Seine Kajüte lag neben der von Roberto, es waren zwei enge

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