Die Insel Des Vorigen Tages
zu Boden hingen. Auch einen anderen Strauch hatte Roberto noch niemals gesehen: eine Pflanze mit breiten und fleischigen Blättern, die durch eine eisenharte Mittelrippe so sehr verstellt wurden, daß man sie als Teller und Schüsseln hätte benutzen können, während daneben andere Blätter wuchsen, welche die Form nachgiebiger Löffel hatten.
Ungewiß, ob er sich in einem künstlichen Wald befand oder in einem irdischen Paradies, das im Innern der Erde verborgen war, spazierte Roberto in jenem Eden umher, das ihn zu Geruchsdelirien verführte.
Als er später seiner Signora davon berichtet, spricht er von ländlichen Rasereien, von Launen der Gärten, belaubten Proteen und närrisch gewordenen Zedern (Zedern?), erkrankt an lieblichem Furor...
Oder er vergegenwärtigt sich das Gesehene als schwimmende Höhle, reich an täuschenden Automaten, aus denen, umwunden mit schrecklich verschlungenen Seilen, fanatische Kressen wuchern, gottlose Triebe barbarischer Wälder... Er spricht von Opium der Sinne, von einer Runde fauliger Elemente, die ihn, zu unreinen Säften vergoren, zu den Antipoden der Vernunft geführt habe.
.Zuerst hatte er seinen Eindruck, daß zwischen den Blumen und Pflanzen auch gefiederte Stimmen erklangen, dem Vogelgesang zugeschrieben, der von der Insel zu ihm herüberdrang; doch plötzlich überlief ihn eine Gänsehaut, als eine Fledermaus so dicht an ihm vorbeiflog, daß sie fast sein Gesicht berührte, und gleich darauf mußte er einem Falken ausweichen, der sich auf seine Beute stürzte und sie mit einem Schnabelhieb zu Boden streckte.
Beim Abstieg ins Unterdeck hatte Roberto die Vögel der Insel noch aus der Ferne gehört, und auch beim Weitergehen war er noch überzeugt gewesen, sie durch die Bordwand zu hören. Nun aber hörte er sie auf einmal aus sehr viel größerer Nähe. Diese Töne konnten nicht von der Insel kommen: Andere Vögel also, nicht die in der Ferne, sangen )jenseits der Pflanzen, weiter vorne im Bug, irgendwo in der Nähe )jener Vorratskammer, aus der er in der vorigen Nacht die Geräusche gehört hatte.
Als er weiterging, schien ihm, daß der künstliche Garten vor einem hohen Stamm endete, der aufragend durch das Oberdeck brach. Dann begriff er, daß er mehr oder weniger in der Mitte des Schiffes angelangt war, wo sich der Hauptmast bis in den untersten Kielraum senkte. An diesem Punkt aber vermischten sich Kunst und Natur in so hohem Grade, daß wir die Verwirrung unseres Helden entschuldigen können. Auch weil genau an diesem Punkt seine Nase eine neue Geruchsmischung wahrzunehmen begann, Gerüche von schimmelnder Erde und tierischem Kot, als sei er dabei, aus einem Gewächshaus in einen Stall zu treten.
Dann, als er am Hauptmast vorbeiging, sah er das Vogelhaus.
Er wußte kein anderes Wort für jene Versammlung von Käfigen aus Rohrgeflecht und solidem Kupferdraht, der sie zusammenhielt, bewohnt von Vögeln, die sich mühten, )jenes Tageslicht zu erraten, von dem sie nur ein Almosen empfingen, und mit verzerrten Stimmen auf die Rufe ihrer frei auf der Insel singenden Artgenossen zu antworten. Auf den Boden gestellt oder an den Latten des Oberdecks hängend, verteilten sich die Käfige in dieser zweiten Laube wie Stalaktiten und Stalagmiten, derart eine zweite Höhle der Wunder bildend, in welcher die Tiere mit ihrem Geflatter die Käfige pendeln ließen und diese die Sonnenstrahlen kreuzten, so daß ein Geflimmer von Farben, ein Gestöber von Regenbogenfragmenten entstand.
Wenn er bis zu jenem Tage nie wirklich die Vögel hatte singen hören, so konnte Roberto auch nicht behaupten, sie jemals wirklich gesehen zu haben, Jedenfalls nicht in so vielerlei Gestalt, weshalb er sich fragte, ob sie noch im Naturzustand waren oder ob die Hand eines Künstlers sie bemalt und ausgeschmückt hatte, vielleicht für eine Pantomime oder um ein paradierendes Heer darzustellen, in dem jeder Fußsoldat und jeder Reiter in seine eigene Standarte gehüllt war.
Gleich einem höchst verlegenen Adam wußte Roberto keine Namen für diese Wesen, wenn nicht die der Vögel seiner Hemisphäre; sieh da, ein Reiher, sagte er sich, ein Kranich, eine Wachtel ... Aber es war, als würde man einen Schwan eine Gans nennen.
Hier Prälaten mit breit gefächertem Kardinalsschwanz und einem Schnabel in Form eines Destillierkolbens, grasgrüne Flügel öffnend, wobei sie eine purpurne Kehle blähten und eine azurblaue Brust zeigten, dort vielköpfige Geschwader, die wie in einem großen Turnier
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