Die Insel Des Vorigen Tages
Esel hinstellend -, eine Stelle vor einer der Inseln im Fluß, gab seinem Pferd die Sporen und ritt ins Wasser. Über eine Furt gelangte er ans andere Ufer, ohne daß sein Pferd auch nur einmal hatte schwimmen müssen, und preschte wie ein Irrer mit erhobenem Degen zum Fort.
Eine Gruppe feindlicher Musketiere trat ihm entgegen, als der Himmel schon heller zu werden begann, ohne daß sie begriffen, wer jener Einzelkämpfer war: Der Einzelkämpfer ritt sie nieder, wobei er mindestens fünf von ihnen mit sicheren Hieben zu Boden streckte, traf sodann auf zwei Reiter, ließ sein Pferd sich aufbäumen, beugte sich nieder, um einem Hieb auszuweichen, richtete sich blitzartig wieder auf und ließ seine Klinge einen Kreis durch die Luft beschreiben: Der erste Gegner sank aus dem Sattel, während ihm die Eingeweide an den Stiefeln hinunterglitten und das Pferd davonlief, der andere blieb mit weit aufgerissenen Augen sitzen und tastete mit den Fingern nach einem Ohr, das ihm, mit einem Hautfetzen noch an der Wange befestigt, unterm Kinn hing.
Derweilen war Pozzo beim Fort angelangt, und die Invasoren, die noch damit beschäftigt waren, die letzten von hinten erschossenen Flüchtlinge auszuplündern, begriffen gar nicht, woher er auf einmal kam.
Er stürmte hinein und rief laut nach seinem Sohn, streckte vier weitere Gegner nieder, indem er sich einmal im Kreis herumdrehte und mit der Klinge in die vier Himmelsrichtungen schlug. Unter seinem Stroh hervorspähend, sah ihn Roberto von weitem, und noch vor dem Vater erkannte er dessen Pferd Pagnufli, mit dem er jahrelang gespielt hatte. Er steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen Pfiff aus, den das Pferd gut kannte, und tatsächlich hob es den Kopf, spitzte die Ohren und zerrte den Vater zu jener Bresche. Pozzo erblickte Roberto und rief: »Hast du keinen besseren Platz finden können?
Spring auf, Dummerjan!« Und während Roberto sich hinter ihm auf die Kruppe schwang und sich an ihn klammerte, schimpfte der Alte: »Schockschwerenot, nie findet man dich, wo du sein sollst!« Dann gab er Pagnufli die Sporen und galoppierte dem Fluß entgegen.
In diesem Augenblick merkten einige Plünderer, daß jener Mann an jenem Ort fehl am Platze war, und zeigten laut schreiend mit dem Finger auf ihn. Ein Offizier mit zerbeultem Brustharnisch, gefolgt von drei Soldaten, versuchte ihm den Weg abzuschneiden. Pozzo sah es, wollte zuerst ausweichen, zog aber dann blank und rief: »Da rede einer vom Schicksal!« Roberto spähte nach vorn und entdeckte, daß der Offizier jener selbe Spanier war, der sie vor zwei Tagen hatte passieren lassen. Auch er hatte sein Gegenüber erkannt und preschte leuchtenden Auges mit erhobenem Degen heran.
Der alte Pozzo wechselte seinen Degen aus der rechten in die linke Hand, zog mit der rechten die Pistole aus dem Gürtel, spannte den Hahn und streckte den Arm aus, alles so schnell, daß es den Spanier völlig überraschte, der sich vor lauter Eifer inzwischen fast unter seinen Füßen befand. Aber Pozzo schoß nicht sofort. Er nahm sich die Zeit, zu sagen: »Entschuldigt die Pistole, aber wenn Ihr einen Harnisch tragt, habe ich das Recht ...« Dann drückte er ab und schoß ihm eine Kugel in den Mund. Die Soldaten, als sie ihren Anführer fallen sahen, ergriffen die Flucht, und Pozzo steckte die Pistole weg mit den Worten:
»Wir verschwinden besser, ehe sie die Geduld verlieren ... Los, Pagnufli!«
In einer großen Staubwolke ritten sie über die Ebene und dann zwischen hoch aufspritzenden Fontänen durch den Fluß, während hinter ihnen immer noch jemand aus der Ferne auf sie ballerte.
Unter Beifallsbekundungen erreichten sie das rechte Ufer. Toiras sagte: »Très bien fait, mon cher ami«, und dann zu Roberto: »La Grive, heute sind alle davongelaufen, nur Ihr seid geblieben. Edles Blut lügt nicht. Ihr seid verschwendet in jener Kompanie von Feiglingen. Kommt in mein Gefolge.« Roberto dankte ihm und reichte dann, während er aus dem Sattel stieg, seinem Vater die Hand, um auch ihm zu danken. Pozzo drückte sie zerstreut und sagte: »Tut mir ja leid für diesen spanischen Herrn, er war so ein braver Mann. Ach ja, der Krieg ist schon eine scheußliche Bestie. Andererseits, denk immer daran, mein Sohn: Gute Leute mögen sie ja schon sein, aber wenn dir einer entgegentritt, um dich zu töten, dann ist er es, der unrecht hat. Oder?«
So kehrten sie zurück in die Stadt, und Roberto hörte seinen Vater noch mehrmals vor sich hin brummeln: »Ich hatte
Weitere Kostenlose Bücher