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Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition)

Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition)

Titel: Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Golowanow
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die Dünung, die ihre hohen Brecher gegen die Küste wirft, das schrille Möwengeschrei – sie durchwirken diese Orte mit einer namenlosen Melancholie der Verzweiflung und Verlassenheit, die jeden zivilisierten Menschen niederdrückt, zumindest vorübergehend, verleiht sie ihm doch das Gefühl, von der ihm gewohnten Welt gänzlich abgeschnitten zu sein und nie mehr dorthin zurückkehren zu können.
    Trotzdem: Woher nur kam das Kupfer hier? Und erst recht der »vogelgestaltige« Bronzegegenstand sowie die »epaulettenförmige Spange mit Bärendarstellung«? Vielleicht lebten die Bewohner dieses ausgestorbenen Lagers nicht immer so gegen die Küste gedrängt, sondern kannten bessere Zeiten, als der Weg nach Süden und die Handelsverbindungen dorthin noch für sie offenstanden?
    Die 1929er Expedition musste ihre Arbeit abbrechen, da eine ihrer Teilnehmerinnen, die Anthropologin Natalja Kotowschtschikowa, plötzlich starb. Sie hatte unabhängig von Tschernezow am Kap Chaen-Sale gegraben und einige bemerkenswerte Objekte geborgen, unter anderem »ein feines, sehr abgewetztes Eisenmesser«, zwei Äxte mit rechtem Anschliff, »das Fragment eines Bronzeanhängers von eindeutig nicht lokaler Herkunft«, ein eigenartiges Schmuckstück, nämlich eine aus einem feinen Bronzeplättchen gedrehte kleine »durchlochte Perle«, sowie das Bruchstück eines Kettenpanzers und schließlich das Skelett »eines kleinwüchsigen Menschen mit stark abgekauter unterer Zahnreihe …« 53
    Ich gestehe, nicht das Skelett, sondern das »Bruchstück eines Kettenpanzers« beschäftigt mich am meisten. Es ist ein zuverlässiger Beleg dafür, dass die Siirten eine glücklichere Vergangenheit kannten, als abgedrängt bis an die nördlichen Grenzen der Erde ein Küstenjägerdasein zu fristen. Denn für die Walrossjagd braucht man keinen Kettenpanzer. Einen Kettenpanzer braucht man für den Kampf. Und nicht für den Kampf um einen Streifen Ozeansand, sondern um einen viel weiteren Raum, mit Platz für Führer und Krieger, Priester und fruchtbare Frauen!
    Das Kettenpanzerbruchstück, Symbol einer verlorenen Schlacht, wurde zweifelsohne zusammen mit dem Fragment des seltsamen Anhängers hierher mitgebracht, an den alleräußersten Rand der Erde, von wo aus es für die Siirten nur noch einen Weg gab: unter die Erde. Und so gingen sie fort. Aber einer von ihnen blieb, um den Zugang in die unterirdische Welt zu bewachen, und er wurde alt, und starb – und es ist
sein
Skelett, das die Menschen fanden …
    Schön ausgedacht?
    Ich las die archäologischen Berichte zwar mit heimlichem Neid, aber eines konnte ich nicht verstehen: Was folgt nun aus all dem?
    Was folgt daraus, dass in der Torfschicht von Charde-Sede der Schaft eines einfachen Bogens, Holztäfelchen mit runden und quadratischen Öffnungen, flache Göttermasken mit eingeritzten »Augen« sowie »Mund«, Netznadeln und »Bruchstücke runder, aus Birkenrinde geflochtener Gefäße« gefunden wurden? Birkenrinde, kann man annehmen, ist wichtig (erinnern wir uns des Birkenkorbs); aber wozu dienten die Rituallöffel aus Walrossknochen und Rentierhorn, der weißbronzene gezackte Anhänger oder das winzige Bronzeplättchen, wozu die zerbrochene kieselsteinerne Pfeilspitze und wozu die Kieselsteinsplitter oder die Metallherstellungsrelikte »in Form von Eisenschlacken sowie zu einer glasartigen Masse zusammengeschmolzenem Sand«? Gut, wir wissen jetzt, dass in den Erdhütten und Jägerlagern irgendeine primitive Ethnie lebte – aber daran ist beileibe nichts Aufregendes. Es bleibt im Grunde unverständlich, woher die ganze zaubervolle Poesie kommt, die die nenzischen Überlieferungen über die Siirten durchwebt. Denn gäbe es diesen Zauber nicht, diese seltsamen Begegnungen mit den Siirten auf der Grenze der Welten, so gäbe es auch kein Rätsel …
    Aber glücklicherweise fand ich einen Text, der nicht nur eine ungeheure Menge von Informationen bündelt, sondern das Problem in seiner Komplexität auseinanderfaltet und so erste Erhellungen bietet. Es handelt sich um den bereits erwähnten, ganz ausgezeichneten Artikel von Ljudmila Wassiljewna Chomitsch. Er enthält höchst wichtige Schlussfolgerungen, weshalb ich, um ein Abgleiten ins freie Interpretieren zu vermeiden, ihn hier umfänglicher referieren muss.
    Als Erstes geht die Autorin der Frage nach, wie es um die Gleichsetzung der Siirten mit den »Tschuden« steht.
    Im Allgemeinen wird die Ansicht vertreten, Letztere seien ein finnisches Volk, doch gibt

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