Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition)
– bloß Wodka nicht. Wodka hat Sumarokow verboten und nur der Mutter, der alten Maremjana, ein Tröpfchen mitgebracht. 61 Die beiden Brüder, Jegor und Jefim, die haben gar nicht getrunken.
Einmal ist Folgendes passiert: Alexander Sumarokow brachte Suschki auf die Insel, Kringel. Aber wie er an Land geht, sieht er, da stehen schon zwei Fässer, und die Leute bedienen sich. »Woher habt ihr die Suschki?« – »Vom Kaufmann Pawlow …« Pawlow war aus Pustosjorsk. Sumarokow hat sein Messer genommen, die Stricke durchgeschnitten und die Fässer mitsamt den Kringeln ins Meer geschmissen. Pawlow hat die ganze Zeit zugeguckt, aber nicht gewagt, Sumarokow in den Arm zu fallen. Und zu seinen Leuten hat Sumarokow gesagt: Unsere Renhirten brauchen Suschki. Gebt ihnen vier Fässer aus meinem Speicher.
Gab er umsonst. Damit die Leute ihm nicht bös waren.
Ein sehr robuster Kerl, der Sumarokow. Fuhr raus in die Tundra, trug eine Maliza und sprach sehr gut Nenzisch. Und konnte ein Ren fangen wie ein echter Nenze. Um die Rene hat er sich gar keinen Kopf gemacht. Manchmal, da brachten die Hirten ihm eine Fuhre Felle: Die Tiere hatten sie im Winter gegessen, also die von den Kaufleuten, sie sagten dann, wir haben soundso viel von euern Renen gegessen. Da hat er nicht gemuckt, nur gesagt: Verladet die Felle – das war alles. Und wenn er raus in die Tundra ist, dann hat er als Erstes das fetteste Ren geschlachtet. Und alle bewirtet. Maremjana hat er ein Fläschchen hingestellt, die andern habens sich so wohlschmecken lassen.
Nikifor Sumarokow hat immer bei uns im Tschum gewohnt. Sobald seine Karbasse Anker geworfen hatte, ist er zu uns raus. Mit dabei immer – sein Neffe Petka (Pjotr Fjodorowitsch). Sie hatten wenig Rene: Nikifor fünf hundert, Petka dreihundert. Der Petka hieß nur »Großkopf«. Einmal, da habe ich in der Herde von Petka ein Kalb mit dem Wurfseil gefangen, und wie ich es zu mir ranziehe, hab ichs erdrosselt. Ein schönes Kalb, ganz bunt. Sagt der Petka zu mir: »Hast mir mein einziges schönes Kalb erdrosselt. Wie konntest du?« Aber er hat bloß gescherzt. Es war ihm gar nicht leid um das Tier.
Einmal, als wir den Lagerplatz wechselten, kriegte ich ein Gespann mit vier Choren, Bullen. Den Sommer über konnte man mit frisch abgerichteten Choren fahren, die hatten kürzergesägte Geweihe. Ich mochte aber mit denen nicht fahren und blieb einfach beim alten Lagerplatz. Die Choren gehörten Petka Sumarokow, ich hab gesagt, besser wärs, sie abzustechen. Dafür hat die Mutter mich schrecklich ausgeschimpft. Gut, zuletzt bin ich los, und wie ich zum neuen Lagerplatz komme, steht unser Tschum schon, der Tee ist fertig. Petka kommt auf mich zu: »Und«, fragt er, »hast du sie doch nicht geschlachtet?« Dann sagt er selber: »Ich sollt sie lieber schlachten statt sie als Anspann zu gebrauchen.«
Der Alexander Sumarokow galt als gierig, aber der Nikifor (Mika) Sumarokow war ein guter Mensch. Er hatte im Krieg gegen die Deutschen gekämpft, kam ganz übel zugerichtet wieder, allein der Hals: stach vor wie bei einem Schneehuhn. Und im Krieg hatte er Gott geschworen: Wenn ich am Leben bleibe, dann helfe ich für den Rest meines Lebens den Armen. Das Schlachten hat er immer auf August, Anfang September angesetzt. Das Fleisch wurde in Fässer eingepökelt und auf seine Karbasse verladen; die Häute blieben da. Die wurden von Hirten getrocknet und gegerbt, und dann wurde Kleidung und Schuhwerk draus genäht. Die Kleidung nahm er dann im Jahr drauf mit, aber was feucht war, nicht, das ließ er wieder zurück. Wenn er schlachtete, haben viele bei ihm gearbeitet, weil die, die nichts hatten, denen hat er Leber, Kopf und Eingeweide gegeben. Zum Schlachten hat er noch Leute mitgebracht auf seiner Karbasse. Es ging immer sehr schnell bei ihm, obwohl er jedes Jahr an die hundert Rene auf Kolgujew geschlachtet hat. Sein wichtigster Mann war der Nenze Petrja. Für den hat er auch geschlachtet. Mika war sehr geschickt im Fangen von Renen. Hat unsre zwei Wurfseile zusammengeknüpft, um weiter werfen zu können.
Sumarokow hat immer gesagt, wer vermögend ist, trinkt nicht jeden Tag Wodka, das machen die Armen, deshalb leben sie auch schlecht. Das hat er gesagt, der Nikifor. Wörtlich: »Der Wodka – das ist keine Nahrung für einen reichen Mann, Wodka ist die Nahrung des Armen.«
Der Alexander und der Jakow, die haben weniger geschlachtet. Die haben bei ihren Leuten vor allem Rauchwaren gegen Lebensmittel getauscht. Säckeweise
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