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Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition)

Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition)

Titel: Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Golowanow
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der junge Ornithologe zuletzt einen Empfang des Archangelsker Generalgouverneurs. Dieser vernahm die Pläne des Briten nicht ohne ein gewisses Erstaunen, bot ihm jedoch gleichwohl an, er könne im darauffolgenden Herbst, wenn sein Kanonenboot Nowaja Semlja anlaufe, vielleicht dieses für seine Kolgujew-Reise nutzen. Doch Trevor-Battye erschien die Jahreszeit zu spät für seine Vogelbeobachtungen, und so schlug er das Angebot aus.
    Ohne aber seine Pläne aufzugeben.
    Nach seiner Heimkehr übersandte er dem Vorsitzenden des britischen Ornithologenverbands Lord Lilford einen Bericht über Kolgujew sowie eine Skizze über die von ihm geplante Reise. Lord Lilford war ein echter englischer Gentleman alten Stils – unerschrocken, offenherzig und natürlich auch ein wenig schrullig (jedenfalls hatte ihn seine literarische Lieblingsfigur, der Edelmann von der Mancha, in seiner Jugend zu einer ornithologischen Studienreise nach Spanien veranlasst). Trevor-Battye war mit Lord Lilfords Neffen Mervyn Powys befreundet, nicht zuletzt, weil dieser Interesse an einer Nordpolarmeerfahrt bekundet hatte. Lord Lilford, betagt und schon lange krank, verließ bereits nicht mehr sein Anwesen in Northamptonshire und widmete sich dem Studium nur mehr der heimischen Vogelwelt. Doch Trevor-Battyes Skizze rief anscheinend die besten Gefühle in ihm wach:
    »Ich schulde Ihnen allerhöchsten Dank für die Zusendung Ihres Berichts über Kolgujew. Das ist alles gänzlich neu für mich, und wäre nicht meine Gebrechlichkeit und besäße ich noch den alten
Glowworm
, ich rüstete mich wohl gleich zu einem Besuch der ›Insel der Gesegneten‹ (Vögel).« 24
    Als Trevor-Battye seinen Bericht für Lord Lilford verfasste, muss er Professor Saweljews Kolgujew-Beschreibung aus dem Jahr 1841 gekannt haben, ebenso Sergej Maximows Sammlung Pomorischer Erzählungen, worin die Insel derart gepriesen wird, dass ihre Apostrophierung als »Insel der Gesegneten« nicht übertrieben erscheint. 25 Lord Lilfords Antwortbrief war indes kein gewöhnlicher Tribut an die Höflichkeit, vielmehr schrieb er umgehend seinem Neffen Mervyn Powys von seiner Bereitschaft, die Hälfte der Chartergebühr für ein kleines Dampfschiff zu übernehmen; gleichzeitig forschte er seiner ehemaligen Steamyacht
Glowworm
nach, die vorzeiten speziell für eine Spitzbergenexpedition gebaut worden war. Doch dies erübrigte sich alsbald, denn Mervyn Powys charterte die Steamyacht
Saxon
.
    Powys träumte davon, im Nördlichen Eismeer auf Jagd zu gehen, verspürte aber keinerlei Wunsch, mit seinem Freund Trevor-Battye die Unbilden zu teilen, die mit einem Kolgujew-Aufenthalt verbunden wären und die sich leicht aus Professor Saweljews Beschreibung der Insel erahnen ließen. Letzterer rechtfertigt die mangelnde Vollständigkeit seiner Beobachtungen damit, dass von den sechzehn Tagen, die er im Jahre 1841 auf der Insel zubrachte, »das Wetter an zehn Tagen der Art war, daß es unmöglich war, an Untersuchungen und Excursionen … zu denken: der heftige Sturm erlaubte uns nicht einmal die Cajüte zu verlassen«. 26 Aus diesen von vornherein unterschiedlichen Zielsetzungen der beiden Engländer erwuchs eine Zufallsverkettung, die aus dem geplanten einmonatigen Kolgujew-Aufenthalt von Trevor-Battye einen dreimonatigen werden ließ, was ihm echte Abenteuer bescherte, und Mervyn Powys zwang, im Anhang zu
Ice-Bound on Kolguev
darzulegen, wie es geschehen konnte, dass er seinen Freund und dessen Begleiter auf einer wilden arktischen Insel zurückließ und die Heimreise allein antrat. Seine Erklärungen sind, wie alles Viktorianische, umständlich und erklären nichts, denn die
Saxon
– ein modernes Dampfschiff von annähernd fünfzig Registertonnen und besetzt mit einer Mannschaft erfahrener schottischer Walfänger – drehte aus Furcht vor dem nahenden Eis am 6. oder 7. August von der Insel ab, während Trevor-Battye Kolgujew mitsamt Hund und einem gänzlich verzagten Hyland am 18. September auf einer pomorischen Karbasse verließ, die zweifellos jeden zivilisierten Seereisenden erstaunt und entsetzt haben dürfte. Es handelte sich im Grunde um ein großes, dreißig Fuß langes, beinah flachgehendes Boot mit einer kleinen Kabine im Heck, das bei der Beladung mit unzähligen Rentierfleisch- und Robbentranfässern sowie Fellen und Häuten um sechs Fuß tiefer ins Wasser tauchte. Kapitän dieses Untersatzes war Alexander Sumarokow, ein russischer Kaufmann in nenzischer Maliza, dem ein anderer Russe als

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