Die Insel - Roman
heraus. Als sie wieder zu sprechen anfing, war ihre Stimme ein kaum hörbares Piepsen. »Tot.«
»Was?«
»Tot!«, stieß sie hervor. »Er ist tot!«
»Wer’s glaubt, wird selig«, brummelte Connie.
»Es stimmt!«
»Wann ist er gestorben?«, wollte Kimberly wissen.
»Gestern.«
»Wann gestern?«
»Am Morgen.«
»Und wer hat dann Connie am Wasserfall angegriffen?«, schaltete sich Billie ein.
Thelma blinzelte sie verständnislos an und schüttelte den Kopf.
»Warst du es?«
»Was denn?«
»Hast du am Wasserfall den verdammten Stein heruntergeworfen?«
»Nein! Wir … Wir waren nicht am Wasserfall.«
»Wo wart ihr dann?«, fragte ich.
»Bei ihm. Wesley hat so ein … Versteck. Es ist ein ganzes Stück hinter dem Wasserfall.«
Billie funkelte sie zornig an. »Wenn du den Stein nicht heruntergeworfen hast, wer dann?«
»Ich weiß es nicht!«
»War es Wesley?«, fragte ich.
»Wie denn?«, fragte Kimberly, die Thelma gar nicht zu Wort kommen ließ. »Der war doch tot, schon vergessen?«
»Stimmt, du hast Recht«, erwiderte ich.
»Das bedeutet, dass du es gewesen sein musst «, sagte Kimberly und versetzte Thelma mit dem Speer erneut einen Stoß in die Seite.
»Aua! Hör auf!« Thelma fasste sich an die getroffene Stelle.
» Du warst es!«, wiederholte Kimberly mit einem weiteren Stoß, der Thelmas Handrücken traf. Das stumpfe Ende des Speers hinterließ eine Delle.
»Hör auf!«
»Sag die Wahrheit.«
»Wesley hat mich dazu gezwungen!«
»Wie kann er dich gezwungen haben? Er war doch schon tot.«
»Nein, das stimmt nicht. Wir waren dort. Wir haben euch beobachtet. Wir waren dort oben, am Wasserfall, und er wollte ihn umbringen.« Sie deutete mit dem Kinn in meine Richtung.
»Mich?«, fragte ich.
»Ja, dich. Ich habe ihm gesagt, dass ich das nicht richtig finde. Ich wollte nicht, dass noch jemand getötet wird, aber Wesley hat gesagt, er macht mich fertig, wenn ich es nicht tue. Was sollte ich denn machen? Er hätte mich umgebracht . Also habe ich mich an die Felskante geschlichen und den Stein runtergeworfen.« Sie sah Connie an. »Aber er sollte nicht dich treffen, sondern ihn .«
»Blöde Kuh«, murmelte Connie.
»Es tut mir Leid. Was soll ich sagen? Ich habe nicht gesehen, wen er traf. Wenn ich hinuntergeschaut hätte, hättet
ihr mich entdeckt. Es tut mir Leid, ich wollte dich nicht treffen.«
»Mir kommen die Tränen«, sagte Connie.
»Es ist die Wahrheit! Du glaubst doch nicht, dass ich dich absichtlich verletzt habe … Das würde ich nie tun. Sieh doch nur, was Wesley mit mir gemacht hat!« Sie deutete mit beiden Händen zitternd auf ihr Gesicht. »Er hat mich grün und blau geschlagen. Da, sieh, wie er mich zugerichtet hat! Alles nur, weil ich dich getroffen habe statt den Jungen!«
Den Jungen .
Ist ja rührend.
»Wesley wollte nicht, dass du verletzt wirst. Er wollte ihn umbringen und hat mir vorgeworfen, ich hätte alles vermasselt, weil ich nicht richtig gezielt habe. Er … Er hat mich verprügelt und …«
»Ganz schön aktiv für einen Toten«, bemerkte Kimberly trocken.
»Da war er noch nicht tot.«
»Aha. Dann hast du uns also angelogen, als du gesagt hast, dass er gestern Vormittag gestorben ist.«
»Er ist erst gestorben, als ihr wieder weg wart.«
»Er hat dich zusammengeschlagen und dann ist er gestorben.«
»Wahrscheinlich vor Erschöpfung«, meinte ich.
Thelma warf mir einen wütenden Blick zu und stieß hervor: » Ich habe ihn getötet!«
Wir waren so perplex, dass es uns für einen Augenblick die Sprache verschlug.
»Ihr glaubt doch nicht etwa, dass er an diesen Speerwunden gestorben ist? Das waren doch nur Kratzer. Nein, ich habe ihn getötet. Mir müsst ihr dafür danken, niemand anderem.«
Kimberly sah ihr in die Augen und sagte: »Ich glaube dir nicht.«
Thelma starrte sie mit offenem Mund an.
» Du würdest diesem Arschloch doch kein Haar krümmen. Für dich ist er ein Gott, der nichts Böses tun kann.«
»Ein Gott?«, stieß sie hervor. »Sieh doch mal, was er mit mir gemacht hat, bloß weil ich aus Versehen Connie mit dem Stein getroffen habe.« Sie deutete erneut auf ihr zerschlagenes Gesicht. »Und seht euch das mal an!« Sie öffnete mit zitternden Fingern den obersten Knopf ihrer Bluse, hielt dann aber inne. »Sagt ihm, dass er sich umdrehen soll.«
Kimberly nickte mir auffordernd zu.
Ich drehte mich um.
Nach ein paar Sekunden sagte Thelma: »Da! Seht ihr, was er gemacht hat?«
Kimberly murmelte: »Du liebe Güte.«
Ich riskierte
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