Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Insel und ich

Titel: Die Insel und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: betty McDonald
Vom Netzwerk:
zu, und dann, um die Schwächeanwandlung zu verstecken, sagte sie flink: «Komm, setz dich, laß mich den Kaffee machen!»
    Ich plumpste erstaunt auf einen Stuhl, dem Mannequin gegenüber, das mich mit einem Mund anlächelte, der sich in den Mundwinkeln leicht hob und tadellose Zähne zeigte. Sie war sehr, sehr hübsch – so von der Art, wie ein schwedischer Kristallkrug hübsch ist. Ich sagte: «Sie sind sehr hübsch, Renée.»
    Sie erwiderte: «Oh, danke, aber ich finde, Schwarz steht mir nicht. Ich liebe Schwarz, es ist immer am schicksten, aber Weiß ist eigentlich meine Farbe!»
    Anne schenkte Kaffee ein und sagte: «Sobald wir Kaffee getrunken haben, wollen wir die Strandhosen anziehen!»
    Renée sagte: «Ich hab keine Strandhosen, Kindchen, weil sie mir alle in der Taille zu weit sind, ich habe nämlich nur 38 Zentimeter Taillenweite. Aber ich habe meine Leopardenfell-Hosen mitgebracht. Sie sind traumhaft, sag ich dir! Soll ich sie jetzt anziehen?»
    «Ja, tu das», sagte Anne und zwinkerte mir zu. «Sie müssen todschick sein.»
    Nachdem Renée oben mit ihrem Köfferchen verschwunden war, sagte Anne leise: «Ich weiß schon, daß Renée nicht mehr Gehirn hat, als in eine Haselnuß geht, aber sie tut mir leid. Sie ist wirklich so liebenswürdig, und ihr Mann prügelt sie dauernd zu Brei. Immer kommt sie mit einer dunklen Brille ins Geschäft, weil er ihr wieder ein blaues Auge geschlagen hat, oder mit einem hohen Kragen, um die Fingerspuren am Hals zu verdecken.»
    «Weshalb schlägt er sie – ist er verrückt?»
    «Ach nein, bloß eifersüchtig – und ein Trinker. Vorige Woche hat er ihr beide Augen blau geschlagen und ein paar Rippen zerbrochen, da ist sie zu Janet und mir in unser Apartment gezogen. Da ihre Kleider einen Wert von mindestens 150000 Dollar darstellen, hat ihr Mann vielleicht Grund zur Eifersucht. Aber ich kann mir all ihre Sachen ausborgen, und sie kann ausgezeichnet kochen.»
    Während wir beim Kaffee saßen, fragte Anne nach Joan, und ich erzählte ihr alles. Obwohl ich auf das übliche: «Weshalb begreifst du nicht, daß Joan und ich erwachsen sind? Weshalb mußt du immer an uns herumnörgeln?» – gefaßt war und mich wappnete, kam die erwartete Reaktion diesmal nicht. Statt dessen sagte Anne: «Arme Mommy, mach dir nichts draus. Es verwächst sich noch bei ihr! Ich hab’s ja auch hinter mir, und keiner kann ein so widerlicher Backfisch gewesen sein wie ich!»
    Vor lauter Verwunderung muß ich wohl halb die Besinnung verloren haben, denn als ich wieder ganz zu mir kam, sagten Anne und Renée in ihren Leopardenfellhosen: «Wir müssen etwas mit deinem Haar machen, Betty! Wie du es trägst, ist es ja ganz aus der Mode.»
    Die beiden trugen ihr Haar straff aus dem Gesicht gezerrt und hielten es mit breiten Goldspangen fest. Ich hatte es halblang geschnitten, und Stirnfransen. Nachdem sie mich ein Weilchen von allen Seiten mit zusammengekniffenen Augen und durch schwere Rauchwolken beäugt hatten, fanden sie, ich müsse mein Haar aus der Stirn kämmen und auf dem Kopf wie einen Walfisch-Sprudel zusammenfassen, wo es mit dem roten Gummiband umwickelt werden könne, das jetzt den Petersilienstrauß am Spülstein schmückte. Als sie mich hergerichtet und mir pudelnasse Schultern gemacht hatten, war mir zumute, als säßen meine Augenbrauen am Haaransatz. Anne aber sagte: «So, jetzt siehst du elegant aus!» Und Renée rief: «Die reinste Puppe!»
    Ich ging in den Waschraum hinter der Küche und besah mich in dem zerknitterten Spiegel des Medizinschränkchens. Dann dachte ich: «Es muß wohl an der Beleuchtung liegen!» Als ich wieder in der Küche erschien, sagte Anne: «Es gefällt dir nicht, ich kann’s dir ansehen!» Sie lachte, wickelte das Gummiband ab und stellte den ursprünglichen Zustand meiner Frisur wieder her.
    Als ich Anne am Sonntagabend Lebewohl sagte und sie umarmte, war ich überzeugt, daß ihre Entwicklungszeit wirklich vorbei war: sie war tatsächlich erwachsen! Was aber wichtiger war: ich spürte, daß ich eine neue Freundin an ihr hatte. Eine, die intelligent, geistreich, liebenswürdig und schön war und mich liebte ! Meine kleine Anne, mein Mädchen mit den ernsten Augen, der ich nachgetrauert hatte, war nicht mehr da, verschwunden wie der Regenbogen von vorgestern, doch war ich eigentlich mit der neuen Freundin glücklicher. Das schwere Parfum, die «eleganten» Kleider, die blaue Augenlid-Schminke, die mich bei den Kindern so geärgert hatten, waren jetzt bei der

Weitere Kostenlose Bücher