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Die Insel und ich

Titel: Die Insel und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: betty McDonald
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Geh hinein und sag ihnen, wir holen sie um sechs Uhr ab!» Wir warteten, bis die Haustür ins Schloß fiel.
    Als wir die Mädchen um sechs Uhr abholten, war Annes Haar Rosabraun und Joans Haar gelbbraun. «Sehen wir nicht schick aus?» fragte Joan und quetschte sich an mir vorbei auf den Rücksitz.
    «Paß auf deinen Koffer auf!» sagte ich ärgerlich, als sie mein Ohr damit streifte und ihn dann auf Annes Fuß stellte.
    «Au!» schrie Anne. «Du ungeschicktes Kamel!»
    «Nenn mich nicht Kamel! Vergiß ja nicht, daß ich auf die Idee kam, unser Haar wieder in Ordnung zu bringen.»
    «Was habt ihr damit getan?» fragte ich, drehte mich um und sah mir den braunrosa und den ockergelben Kopf etwas genauer an.
    «Ich bin in die Drogerie gegangen und habe eine Flasche hellbraune Farbe gekauft», sagte Joan stolz. «Ich habe Annes Haar gefärbt, und sie hat meins gefärbt. Sehen wir nicht schick aus?»
    Ich erwiderte: «Schick seht ihr nicht aus, aber ihr seht nicht ganz so grauenhaft wie vorhin aus.»
    Joan sagte: «Gott, was du eklig bist! Alle sind alte Ekel in unsrer Familie! Ich bin froh, daß ich von zu Hause Weggehen kann.»
    «Wohin und wann?» fragte Don.
    «Joe Charteris hat mir gesagt, wenn ich aus der Schule weglaufe, könnte ich mit ihm und seinem Musikkorps reisen und singen. Und das werde ich auch tun!»
    «Das wirst du gar nicht tun!» sagte ich sehr laut und energisch.
    «Na schön», sagte Joan, «reg dich bloß nicht so auf. – Woll’n in ein chinesisches Restaurant gehn, ja?»
    «O bitte, Mommy, los!» bat Anne. «Laß uns zu Won Ton gehn.»
    «Und euer Haar?» fragte Don.
    «Ach, den Chinesen ist das doch einerlei – und wir haben auch die Geschirrtücher hier.»
    «Wenn ihr die widerlichen Geschirrtücher umbindet, geh ich nirgends mit euch hin», sagte ich.
    «Ach, Betty, mußt du denn dauernd so gräßliche Laune haben?» seufzten beide gleichzeitig. «Du bringst überhaupt kein höfliches Wort mehr über die Lippen!»
    Wir gingen also zu Won Ton, und die Mädchen stritten sich, was sie essen wollten, und Don studierte die Seite der Speisekarte, auf der alles Chinesisch gedruckt war. Ich aber verfiel in meinen Tagtraum.
    Ich träumte, es sei Annes achtzehnter Geburtstag, und vor ihrem Platz auf dem Frühstückstisch lagen ihre Geschenke aufgehäuft, und Don und Joan und ich warteten in der Küche, daß sie die Treppe herunterkommen solle. Da kam sie, mein liebes Herzchen, meine liebe kleine Anne mit den ernsten Augen, und war so sanft und süß und liebevoll und küßte uns alle, sogar Joan (hier verstieg sich der Traum etwas zu tollkühn), und sagte, während ihr ein belustigtes Lächeln um die Mundwinkel spielte:
    «So, Betty und Don, jetzt könnt ihr aufleben. Eine wenigstens hat die Entwicklungszeit hinter sich!»
    Der Traum verblaßte, denn Don verkündete voller Stolz (wie jedesmal im Chinesischen Restaurant), er wolle Peking-Ente haben, und der Kellner antwortete (wie immer): «Peking-Ente kannst nicht gleich haben. Mußt zwei Tage vorher bestelln!»
    Dann kam der Abend vor Annes neunzehntem Geburtstag (ich hatte meinen Traum etwas den Umständen anpassen müssen). Ich saß auf meinem Bett und wickelte Annes Geschenk ein: eine weiße Kaschmirjacke, ein Album von Bidu Sayao und eine dreifache Perlenkette (japanische). Dabei hatte ich ein unheimliches Vorgefühl, so als wüßte ich ganz genau, daß ja doch kein Weihnachtsmann kommen würde. Der Geburtstagsmorgen bestätigte meine Vorahnungen. Noch ehe sie aus dem Bett waren, hatten Anne und Joan bereits einen giftigen Streit, wer den Wagen nehmen solle. Als sie dann endlich mit einem schlimmen Anfall von Heufieber nach unten kam, fiel sie beinahe über Tudor, der auf der Küchenschwelle lag, und als sie ihm «bloß mit dem weichen braunen Pantoffel» einen Tritt gab, schnappte er und biß sie in den Knöchel, und Don weigerte sich, sie nach Seattle zu fahren, damit sie sich eine Einspritzung gegen Tollwut geben lassen könne, und daher stampfte sie böse nach oben, ohne ihre Geschenke auszupacken.
    Doch dann bekam sie schließlich ihr Diplom und verließ die Schule und erhielt einen Posten in der Reklame-Abteilung eines großen Warenhauses. Allerdings waren die einzigen sichtbaren äußeren Anzeichen ihres neuen Erwachsenenstatus auch weiter nichts als die Kleider, die sie trug und «hochelegant» nannte, obwohl Don sagte, sie könne sie nennen, wie sie wolle, er fände, sie glichen Hallowe’en-Kostümen. Doch schien sie Don und mich nicht

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