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Die Insel und ich

Titel: Die Insel und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: betty McDonald
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zurückerwartet wurden und wann wir Joan und Anne abholen sollten.
    Ich weiß noch, daß ich richtig stolz war, als wir die Treppe zu Morrisons Haus hinauf stiegen. «Anne und Joan haben sich ganz alleine um den Posten als Baby-Hüterinnen beworben», erzählte ich Don, der grämlich eine zerbrochene Dachrinne untersuchte. «Und ich finde, es sind doch Anzeichen von erwachender Vernunft, wenn sie sich um zwei kleine Kinder bekümmern und von Freitag bis Sonntag abend allein in einem fremden Haus bleiben.» Don stieg auf das Verandageländer, weil er den Auffang der Regenrinne sehen wollte, und meinte: «Wahrscheinlich bekommen wir bloß einen Anpfiff von Jim und Mary, wenn sie sehen, wieviel die Mädchen verzehrt haben.»
    «Es ist schrecklich mit dir, daß du es auch nie anerkennen willst, wenn die Mädchen Fortschritte machen», sagte ich ärgerlich.
    «Woher denn», sagte Don, der das Kinn schon halb auf dem Dach hatte. «Ich bin aber mehr für Tatsachen. – Und Jim werde ich sagen, er muß die Regenrinne ausbessern lassen.» Ich klingelte. Es kam keine Antwort, doch schien es mir, als höre ich irgendwo Schritte oder Gekicher. Dann kam Anne an die Tür. Um den Kopf trug sie ein Geschirrtuch, das sie sich wie einen Araber-Turban tief ins Gesicht gezogen hatte. Sie war erhitzt und nervös.
    «Weshalb kommt ihr denn schon so früh?» fragte sie und versperrte die Tür mit dem Fuß.
    «Wir wollten euch nur besuchen», sagte sie freundlich. «Nur mal sehen, wie es geht.»
    «Danke, es geht ganz gut», sagte Anne und wollte uns die Tür vor der Nase zumachen.
    «Wo ist Joanie?» fragte ich.
    «Ach, irgendwo», sagte sie ausweichend.
    «Was meinst du damit?» fragte ich entschlossen und schob sie beiseite und trat ins Haus.
    «Sie ist oben.»
    «Joanie?» rief ich laut. «Hier ist Mommy! Wo bist du?»
    «Ich bin hier», antwortete eine erstickte Stimme.
    «Schrei doch nicht so», sagte Anne. «Das Baby schläft. Kommt in die Küche, dann mach ich euch eine Tasse Kaffee.» Langsam und eine Stufe nach der andern kam die vierjährige Patty die Treppe herunter. Ihr Kleid war vorne ganz naß.
    Wir gingen in die Küche. Patty setzte sich auf einen Küchenstuhl und packte Buntstifte und ein Malbuch aus. Bedachtsam wählte sie einen weißen Kreidestift und verkündete: «So soll Joanies Haar aussehen,wenn sie es fertig gebleicht hat, nicht wahr, Anne?»
    «Halt den Mund», zischte Anne.
    «Weshalb?» fragte Patty, die ihre Schuhchen verkehrt anhatte.
    «Weil du’s versprochen hast!» sagte Anne.
    «Ich hab bloß versprochen, von deinem Haar nix zu sagen», plapperte Patty. «Von Joanies Haar hab ich nix versprochen.» Ich stand auf, ging zu Anne hinüber und riß ihr das Geschirrtuch vom Haar. Sie stand wie zur Salzsäule erstarrt, in der einen Hand den Kaffeetopf, in der andern die Kaffeekanne. Ihr Haar platzte aus dem Tuch heraus – in kräftig altrosa Chrysanthemumfarbe!
    «Anne MacDonald!» schrie ich. «Was hast du mit deinem Haar gemacht?»
    Sie fing an zu weinen und benutzte das Geschirrtuch als Taschentuch. Endlich sagte sie unter Tränen: «Joan hat gedacht, wenn sie in einem Musikkorps mitsingt, wird ihr Haar besser wirken, wenn es platinblond ist, und deshalb hat sie eine Flasche doppelstarkes Peroxyd gekauft, und wir haben es beide ausprobiert, und wenn du glaubst, ich sehe greulich aus, dann warte nur ab, was du bei Joan sagen wirst.»
    Dann erschien Joan – bleich und zitternd. Ihr Kopf steckte in einem Badelaken. Ich sagte ihr, es sei alles ans Licht gekommen, und zog ihr das Tuch herunter. Ihr hellblondes Haar hatte das leuchtende Dottergelb von Chausseeschildern angenommen.
    «Wir wissen nicht, was wir tun sollen», schluchzte Anne. «So können wir doch nicht in die Schule gehn.»
    «Ihr könnt euch den Kopf kahlrasieren lassen», schlug Don freundlich vor.
    «Oder es auswachsen lassen», fuhr ich herzlos fort. «Das dauert mindestens ein halbes Jahr.»
    «Joan hat schuld», klagte Anne. «Sie wollte ja durchaus Sängerin werden.»
    «Du falsches Biest», schrie Joan. «Du hast mich ja erst auf die Idee gebracht, ich soll’s mir bleichen.»
    «Und du hast das Zeugs gekauft», kreischte Anne.
    «Bloß, weil du kein Geld hattest», rief Joan.
    Don und ich gingen auf Zehenspitzen hinaus. Sie bemerkten es nicht einmal. Als wir vor unserm Wagen standen, sahen wir, daß die kleine Patty mitgekommen war. Sie sagte: «Ich will mit euch ausfahren!»
    Ich sagte: «Nein, Liebchen, du mußt bei Anne und Joan bleiben.

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