Die Insel und ich
halbwegs sicher sein konnte, daß ich keinen Herzschlag bekommen würde. Als ich wieder nach unten kam, stellte Lesley, angetan mit einer verknüllten Schürze, gerade einen Kartentisch vors Kaminfeuer.
Ich sagte: «Wir gehen jetzt essen.»
Sie sagte: «Gieß dir einen Drink ein und beruhige dich. Ich habe das Essen schon bereit.»
Sie brachte ein widerwärtiges Gericht in der Kasserolle, auf das sich schlechte Köchinnen immer etwas einbilden: einen Mischmasch aus schwarzen Oliven, Makkaroni, Rosenkohl und Kastanien. Aber wenn’s auch Lerchenpastete in Madeira gewesen wäre, ich hätte es nicht heruntergebracht, so wütend war ich.
Don gelang es, sich mit ‹seiner letzten Kraft› an den Tisch zu setzen. Ich konnte es ihm aber ansehen, daß ihm weder die Kasserolle noch der Salat aus mit Rosinen gefüllten Pflaumen sehr schmeckte. Wenigstens mein Essen paßte ihm.
Als wir auf dem Heimweg am Strand entlang gingen, fragte ich:
«Don, wie konntest du das bloß zulassen, was sie mir da antat?»
«Wieso antat?» fragte Don. «War es denn nicht nett?»
Ich sagte: «Wir hatten ausgehen wollen, aber es paßte ihr nicht, also blieben wir.» Hier auf dem Strand klang es albern. Don sagte: «Sieh mal, die Sterne kommen hervor. Vielleicht kommt endlich besseres Wetter. Sag mal, könntest du Lesley nicht beibringen, wie man kocht?»
Ich biß die Zähne aufeinander und sagte: «Der Frau kann ich überhaupt nichts beibringen.»
Und so ging der Sommer weiter und weiter und weiter und weiter und weiter. Lesley nahm jeden Tag ihr Sonnenbad und trug echten Schmuck und täglich ein anderes, bis auf den Bauchnabel ausgeschnittenes Kleid. Jeden Nachmittag gegen halb sechs rief sie Don an, ob er ihr nicht helfen könne, das Boot auf den Strand zu ziehen oder die Whiskyflasche aufzumachen oder ihre Einkäufe heimzutragen oder die Kloben zu zersägen oder den Ofen in Ordnung zu bringen oder ihre Radioanlage zu kontrollieren – und immer war sie so klug, es ganz echt klingen zu lassen.
Don hatte sie gern, und Joan und Anne schwärmten immer noch für sie, und wenn ich sie nur ein klein bißchen kritisierte, dann rückten sie von mir ab, als ob ich die Pest hätte. Jeden Morgen wachte ich schlechter Laune auf. Ich sagte zu Don: «Lesley weiß, daß sie mich quält, und es macht ihr ein Mordsvergnügen.»
Don sagte: «Weshalb giftest du dich immer so wegen Lesley? Sie ist ein netter Kerl, und sie ist einsam und sehnt sich nach Gesellschaft.»
«Ja, nach deiner Gesellschaft», sagte ich.
«Sei nicht komisch», erwiderte Don. Aber ich glaube, im Grunde waren wir beide froh, als sie im Oktober nach San Franzisko zog. Joan und Anne waren untröstlich.
«Sie hatte einunddreißig Mäntel», erzählte Anne ihrer Freundin, «und drei Kleider von Dior.»
«Und echte Rubine und Brillanten», sagte Joan.
«Und die ideale Figur: Brustweite sechsunddreißig Zoll, Taillenweite vierundzwanzig Zoll, Hüftweite sechsunddreißig Zoll!» triumphierte Anne.
«Und sie hatte einen goldenen Sportwagen und vierzehn Kaschmir-Pullover», zählte Joan auf.
«Ach, und schön war sie!» seufzte Anne. «Ihr Haar ist platinfarben, und sie hat große, veilchenblaue Augen, und sowie ihre sonnenbraune Haut auch nur ein bißchen heller wurde, flog sie gleich mit dem nächsten Flugzeug nach Hawaii!»
«Und kein einziges Haar hatte sie auf den Beinen», sagte Joan. «Sie hat mir erzählt, sie brauche sich nie die Beine zu rasieren, wie’s Betty tun muß.»
«Deck mal einer den Tisch!» rief ich grob. «Es ist schon gleich sieben Uhr!»
«Huh, wie ärgerlich du sprichst!» riefen Joan und Anne einstimmig.
Freund und Feind
Da gibt's keine Zweifel: Hunde gernhaben ist sehr nahe verwandt mit jener Sorte von Selbstquälerei, wobei man sich mit dem Hammer auf den Kopf schlägt, weil’s so schön ist, wenn man wieder aufhört. Hier auf der Insel Vashon gibt es aber sehr viele Hundefreunde. In unserer kleinen Bucht allein lebten, seit wir hier wohnen, ein schottischer Schäferhund, ein Boxer, ein Dalmatiner, eine schwarze Promenadenmischung, eine dänische Dogge, zwei irische Setter, ein Kerry-Hund, zwei Terrier, eine Boston-Bulldogge, ein Dackel, eine ganze Menge fette asthmatische und triefäugige Geschöpfe, die unter der Bezeichnung ‹mein altes Hündchen› herumliefen, und dann noch ein paar mehr Mischlinge, die von Tudor und Trixie abstammen. Trixie ist eine liederliche Hundedame, die in den Hügeln oberhalb von unserm Grundstück zu Hause ist. Unser
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