Die Insel und ich
Tudor ist auch eine undefinierbare Mischung, aber Sieger über alle andern. Nur im Kampf mit dem Boxer ‹Tiger› und mit seinem bittersten Feind Trigger, einem kleinen Schotten, hat er bisher den kürzeren gezogen. Als Tudor dann eines Tages den größten Teil seines Schwanzes eingebüßt hatte, begann er allerhand Kniffe anzuwenden, die er wohl von den Waschbären gelernt haben muß, denen er seit fünf Jahren nachstellt.
Es war eines schönen Sommermorgens bei Ebbe, als die Sonne noch angenehm im Frühnebel steckte, der Sund dunkel und ohne Wellengekräusel dalag und die Kapuzinerkresse wie mit Flammenzungen über die Ufermauer leckte. Anne und Joan und ihre Freundinnen, alle in Badeanzügen und eingeölt wie Sardinen, streckten sich auf gestreiften Badelaken aus. Ein tragbares kleines Radio schmetterte King Coles neuestes Lied. Die Luft roch herbe nach Seetang und dampfendem, feuchtem Sand. Längs der ganzen, schön geschwungenen Bucht hüpften kleine Kinder wie Korken im flachen Wasser umher. Ich war nach unten gekommen, um für den Verandatisch einen Kressestrauß zu pflücken. Als ich etwa sechs Stiele in der Hand hatte, kam Triggers Herrin herzugeschlendert, um guten Tag zu wünschen und eine Zigarette mit mir zu rauchen. Wir machten es uns auf einem großen, seidigen, knochenblassen Stück Treibholz bequem. Unten am Wasser war Tudor bei seinem Lieblingssport, die Schatten von Seemöwen auf dem Strand zu erjagen, wobei er Purzelbäume schlug. Wir schauten ihm vergnügt zu. Es war alles so friedlich. Dann beschloß Trigger, der bis dahin ruhig zu Füßen seiner Herrin gesessen hatte, sich zu beteiligen. Trotz all unsrer Rufe und Bitten lief er auf den nassen Sand und schaute zu. «Sagt ja nichts», flehte ich die Mädchen an. «Manchmal beißen sich die Hunde nicht, wenn man ganz still bleibt.»
«Was für normale Hunde gilt, das gilt noch lange nicht für Tudor!» bemerkte Anne bitter.
Ein oder zwei Minuten lang merkte Tudor nicht, daß Trigger in der Nähe war. Dann plötzlich sah er ihn, wechselte noch in der Luft die Richtung und landete quer auf dem Rücken des kleinen Trigger. Die Mädchen begannen zu schreien: «Tu was, Mommy! Bring sie auseinander! Hol den Gartenschlauch! Nimm einen Knüppel!»
Triggers Herrin und ich hatten die Hunde in diesem Sommer schon etwa sechsundachtzigmal auseinandergebracht. Jetzt beschlossen wir kaltherzig, die beiden sollten mal zu einem Endkampf antreten.
Wir zündeten uns eine neue Zigarette an und sprachen von diesem und jenem, während die Hunde keuchten und knurrten und sich gegenseitig anfuhren. Mir war es so ungemütlich zumute, als wollte ich seelenruhig eine Bridgepartie zu Ende spielen, während im Nebenzimmer eine alte Tante von mir an einer Fischgräte erstickt. Anne und Joan und ihre Freundinnen, danach auch alle Nachbarn, einer um den andern sammelten sie ihre Siebensachen und Kleinkinder ein und brachten sie auf unserer Ufermauer in Sicherheit.
Endlich endete die Schlacht genauso plötzlich, wie sie begonnen hatte. Wo erst nur die haarsträubenden Geräusche einer Hundebeißerei zu hören gewesen waren, vernahm man jetzt nichts als die friedlichen, schmatzenden Geräusche der Flut und eines Hundes. Ja, tatsächlich, nur eines einzigen Hundes. Tudor stand bis zum Bauch im Wasser und trug eine verdächtig triumphierende Miene zur Schau, Trigger war verschwunden. Triggers Herrin und ich warfen die Zigaretten beiseite und rannten ans Wasser. Wir entdeckten, daß Tudor auf Trigger stand und ihn unter Wasser hielt. Ich schrie Tudor an. Triggers Herrin watete ins Wasser und befreite Trigger. Wir versuchten, ihn durch künstliche Atmung zu retten. Unsre Versuche wurden sehr behindert durch Tudor, der ihn durchaus umbringen wollte, solange er noch nicht bei Besinnung war. Trigger kehrte aber ziemlich schnell aus dem Todesschattental zurück, und zwar knurrend und grollend, und sofort stürzten sie sich wieder aufeinander, bis ich endgültig mit dem Bambusrechen dazwischenfuhr.
Der Boxer Tiger sieht sehr groß und kräftig aus, doch verbrachte er einen ganzen Abend auf meinem Schoß und fraß Gummibonbons, beobachtete Mr. Peepers im Fernsehapparat und bewies, daß der Schein trügen kann. Zu jener Zeit war Tudor bei meiner Schwester Alison, die er, während ihr Mann verreist war, gegen Einbrecher beschützen sollte – aber statt dessen brachte er ihre Katzen um, schlief auf den Kopfkissen der Kinder und fraß das Entenfutter auf. Tudor ist stolz darauf, daß
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