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Die Insel und ich

Titel: Die Insel und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: betty McDonald
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mit Halbwüchsigen. Am besten ist es noch, man bemüht sich, nicht den Verstand zu verlieren, und betet die ganze Zeit, daß alles gut geht – wie man es etwa bei einem Schneesturm tun würde, wenn man keinen Kompaß hat, oder in einem lecken Kanu, das von der Strömung fortgerissen wird, und man hört schon das Brausen des Wasserfalls um die nächste Flußbiegung.
    Und während du noch zuhörst, will ich in den schwarzen Abgrund meiner traurigen Erfahrungen hinunterreichen und dir etwas zum Nachdenken anvertrauen – falls es dir nicht mittlerweile schon selbst klargeworden ist.
    1.  Halbwüchsige hassen ihre Eltern nicht. Sie empfinden nur völlige Verachtung für sie, die gelegentlich mit herablassendem Mitleid verzuckert ist, Mitleid mit der Eltern kläglich schwachem Verstand, mit ihren lächerlichen Ansichten, ungerechten Forderungen und der offensichtlichen Vergreisung. Sie sprechen alle von ihrem Vater als: «Oh, der!» und von ihrer Mutter als: «Sie». – « Sie läßt mich natürlich nicht hingehen, hat Angst, ich könnte mich mal ein bißchen amüsieren.» – «Wer war das eben am Telefon? Oh, der! Wollte wohl wieder seinen Mantel gebracht haben?»
    2.  Alle Halbwüchsigen schwanken dauernd von einer Partei zur andern. Das bedeutet nicht, daß sie später mal als Diplomaten oder Politiker geeignet sind – sondern nur, daß man Treue und Anhänglichkeit in jenen Jahren nicht von ihnen erwarten darf, und Freundschaft welkt schneller als eine Blume.
    3.  Alle Halbwüchsigen haben einen ‹Festen›, der ihre ewige Liebe ist. Töchter lieben Burschen, die einem verlogen und unzuverlässig Vorkommen. Söhne lieben Mädchen, die einem hart, frech und, wenn auch nicht gerade unmoralisch, so doch auch nicht als der erwünschte Schwesterchen-Typ erscheinen. Nie wird es Eltern gelingen, diese romantischen Bündnisse zu unterdrücken. Wie kann einer, der so dumm ist wie «Oh, der!», wohl einen Helden wie Billy richtig einschätzen? (Einen Helden, der sich den ganzen Tag fauler als der Hund auf der Couch rekelt und einen Wortschatz von etwa dreißig Wörtern besitzt.) Und was kann «sie» wohl von einem so wunderbaren Mädchen wie Charlene wissen (mit ihren hautengen Röcken und dem fuchsienfarbenen Lippenrot, das wie mit dem Spatel aufgetragen scheint). «Sie» ist doch bloß eifersüchtig, weil Charlene die Schönheitskönigin der ganzen Klasse ist.
    4.  Alle Halbwüchsigen telefonieren. Das ist eine Seite des allgemeinen klebrigen Zusammenhalts, der sie alle im gleichen Lunchraum essen, in Bündeln umhergehen, auf Korridoren verknotet stehen läßt – immer in engster Tuchfühlung. Und es ist keine Lösung des Problems, wenn man sich ein zweites Telefon anschafft. Hui, zwei Telefone! riefen Annes und Joans Freundinnen und sorgten dafür, daß sie immer in Benutzung waren.
    5.  Alle Halbwüchsigen wollen dauernd den einen Wagen der Familie benutzen. Damit es ihnen gelingt, haben sie drei Methoden: die sanfte Quälmethode à la «Steter Tropfen höhlt den Stein», die aalglatte Lüge und ein kaltes, tränenreiches Schweigen. Wenn man sie überzeugen oder bitten will, siegen sie immer.
    6.  Halbwüchsige gehen mit ihren eigenen Sachen nicht achtsam um, und sie sind vollkommen rücksichtslos mit allem, was ihren Eltern gehört. Dons graue Flanellhosen, Dons Schuhe, mein kleines Radio, mein karamelfarbener Kaschmirpullover, Dons Badehosen (vier Paar), meine langen Strandhosen, unsre Strandhemden, Strandtücher – alles wanderte in den Rachen der halbwüchsigen Jugend und ward nie mehr gesehn.
    7.  Alle halbwüchsigen Mädchen würden am liebsten in einem Badezimmer wohnen.
    8.  Alle halbwüchsigen Jungen würden am liebsten in einem Auto wohnen.

    Wenn ich jetzt an unsern ersten schwierigen Inselwinter zurückdenke, als wir das Tageslicht nur am Wochenende sahen und die leibliche Erwärmung unser aller Lebenszweck schien, dann bin ich ganz beglückt, wie wunderbar sich Anne und Joan damals benahmen. Hilfsbereit, arbeitsfroh, lieb – und nie eine Klage! Natürlich, in der Erinnerung wird alles rosenrot, aber sie waren damals so jung, und doch holten sie schon Holz, kochten Essen, machten Betten und waren gut gelaunt. Ich frage mich oft, ob sie bei diesem Inselleben glücklich waren, wo sie doch jeden Morgen im Dunkeln aufstehen und zur Schule gehen mußten. Sie waren an meine große Familie und an Horden von Freunden und Freundinnen gewöhnt, sage ich zu Don. Aber er erwidert bloß: «Denk an die

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