Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
eingestellt war wie Thor und Alain, so hatten die Ereignisse auf Gorthen-Nehrung inzwischen doch eine Veränderung bei mir bewirkt.
Thor hatte natürlich eine derartige Veränderung fast von dem Moment an angestrebt, seit er mich das erste Mal gesehen – und begehrt – hatte. Er war ein weitsichtiger Mann, dieser Thor Reyder.
Und wir alle wissen, wer am Ende Recht behalten hat. Dieses zynische Gossenmädchen Glut Halbblut war nicht annährend so wahrnehmungsfähig, wie sie gern von sich dachte.
* * *
Brief von T. iso Tramin, Dozent (Zweite Klasse) an der Mithodis Akademie der Historischen Studien, Yamindat Kreuzung, Kell, an Feldforscher (Sonderbeauftragten) S. iso Fabold, Nationalforschungsministerium, Bundeshandelsministerium, Kell.
Heutiges Datum, 47. – 1. Doppelmond – 1793
ich danke dir, Fabold, dass ich einen Blick auf diese Berichte werfen darf, bevor sie veröffentlicht werden und du sie bei einem weiteren vielversprechenden Vortrag in der Gesellschaft vorstellen wirst. Ich habe deinen ersten Vortrag über die Inseln des Ruhms so genossen! Lass dich von den manchmal etwas schroffen Bemerkungen von Ethnographen der alten Schule, die es vorziehen, auf Knochen zu starren statt lebendige Geschichte anzuhören, nur nicht verrückt machen! Diese Kleinkarierten werden sich schon noch irgendwann der neuen Schule anpassen müssen …
Und was für ein faszinierendes Thema du für deine erste Reihe von Befragungen gefunden hast! Eine außerordentliche Frau. Darf ich sagen, dass deine Bewunderung für diese alte Dame in jedem deiner Worte durchschimmert? Es ist allerdings vermutlich auch gut, dass du das, was sie geschrieben hat, ein bisschen zensiert hast! Die zarten Ohren der zuhörenden Damen wären vor Röte verbrannt, wüssten sie alles, was dieser Heißsporn in den Unterhaltungen mit dir von sich gegeben hat. Manchmal frage ich mich, ob es nicht doch ein Fehler war, den Damen zu gestatten, an den öffentlichen Sitzungen der Gesellschaft teilzunehmen … Aber ich schweife ab.
Natürlich hast du Recht mit den Vermutungen, die du mir in deinen Anmerkungen zukommen ließest. Die Kellen haben die Kontranischen Ebenen in der Zeit von 302 bis 719 in aufeinanderfolgenden Wellen verlassen. Dieser Exodus wurde durch zwei Faktoren veranlasst: dem Bedarf an urbarem, feuchtem Land, da die Kontranischen Ebenen immer mehr vertrockneten, sowie die Tatsache, dass es in dem Moment möglich wurde, als Forscher die Pässe über den Picard-Bergen öffneten. Die fruchtbaren, feuchten Picard-Küstenebenen eigneten sich besonders gut, um Ackerbau zu betreiben. Dass die zahlreichen Küstentäler sowie die vor der Küste gelegenen Inseln bereits von seetüchtigen Picarden bewohnt wurden, hatte offenbar, wie ich fürchte, für unsere unangenehm aggressiven Ahnen keine besondere Bedeutung.
Weil die in den Ebenen geborenen Kellen technologisch weit fortgeschrittener waren, bessere Waffen besaßen (sowohl der Langbogen als auch die Armbrust waren bereits erfunden), und weil sie über Pferde verfügten und reiten konnten, hatten die Küstenvölker – die keinen dieser Vorteile besaßen – nur wenig Möglichkeiten, Widerstand zu leisten. Viele von ihnen legten die Waffen nieder und endeten als Sklaven oder Leibeigene. Über viele Generationen hinweg vermischten sich die Unterschiede zwischen den Eingeborenen und den Eroberern, und wenn man jemanden wie mich, der in Unterpicard geboren wurde, fragen würde, ob seine Ahnen Kellen waren oder Picarden, könnte ich im Leben keine Antwort darauf geben.
Ich fürchte, ich kenne keinerlei Geschichten darüber, dass die Picarden über das Meer gereist und eine halbe Welt weiter bei den Ruhmesinseln gelandet wären. Es kommt mir ein bisschen weit hergeholt vor … Wenn ich sage, dass diese Leute seetüchtig waren, so bezieht sich das eher darauf, dass sie sich an die Küste hielten, hauptsächlich von Fischerei lebten und Seehandel zwischen den verschiedenen Flussmündungshäfen betrieben. Sie erkundeten jedoch nicht die Hochsee.
Es stimmt vermutlich, dass es viele unterschiedliche Rassen oder ethnische Gruppen bei den Picarden gibt. Die frühen Berichte der Kellen legen nahe, dass die Menschen des einen picardischen Küstentals sich häufig von denen des nächsten unterschieden, und dass die Unterschiede manchmal durch ihre körperlichen Eigenschaften verstärkt wurden.
Du willst etwas über die Wörter » Kelvan« und » Kelvaner« wissen. Sie tauchen in einer früheren kellischen
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