Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
wird es nicht darum gehen, mich den Wahrern entgegenzustellen. Es gibt schlimmere Übel. Ich teile deine Sicht der Welt einfach nicht, Thor. Wie können wir da zusammenleben?«
Er schwieg.
» Es war nur ein Traum, Thor. Ein wunderschöner Traum, aber nicht mehr als das. Ich denke, tief in meinem Herzen wusste ich es, noch bevor ich begriffen habe, dass du ein Patriarch bist. Wir sind zu verschieden. Unsere Ziele sind zu unterschiedlich.«
Er schwieg immer noch.
» Ich werde nicht zu den Wahrern zurückkehren«, sagte ich sanft. » So viel jedenfalls habe ich gelernt. Ich werde mit Flamme weggehen.«
Jetzt sprach er, und Überraschung schwang in seiner Stimme mit. » Aber sie wird doch sicherlich Morthred folgen.«
Ich nickte, beeindruckt, dass er sie so gut erkannt hatte.
» Es sind wohl kaum Geld oder Annehmlichkeiten dabei zu erwarten.«
» Ich mache mir Sorgen um Flamme. Und wenn Morthred stirbt, werde ich eine Bürgerin des neuen Dunstigen-Inselreiches sein. Du siehst, bei all dem ist sehr wohl etwas für mich drin. Es muss immer etwas für mich drin sein, bei allem was ich tue.«
» Ich hätte gedacht, dass auch bei mir etwas für dich drin gewesen wäre. Abgesehen von der Tatsache, dass die Menoden nicht ganz ohne Einfluss sind, wenn es um die Bürgerrechte und die Heiratsgesetze für Patriarchen und derer Angehörigen geht.« Er versuchte, nicht verletzt zu klingen, aber er konnte es nicht ganz verhindern.
» Die Aussicht auf die Bürgerrechte waren nicht der Grund, weshalb ich mit dir gehen wollte, und das weißt du auch. Ich dachte, es würde genügen, dich zu lieben, aber das stimmt nicht, Thor. Es muss ein gemeinsames Ziel geben. Wir würden nicht einmal Kinder haben, die uns verbinden.«
Er schüttelte den Kopf, vor Traurigkeit und weil er sich in das Unvermeidliche schickte. » Mit jedem Wort, das du sagst, liebe ich dich noch mehr, weil du bist, wie du bist. Du bist all das, woran es mir mangelt.«
» Aber ich habe Recht.«
» Hast du das?«, flüsterte er. » Vielleicht. Aber ich weiß nicht, wie ich wieder allein leben kann, nachdem ich dir begegnet bin.«
Ich machte einen Schritt auf ihn zu und umarmte ihn. Wir hielten einander eine lange Zeit umschlungen. Dann löste er sich wieder. » Wenn ich dir jemals helfen kann, lass es mich über den Rat der Patriarchen wissen.«
Ich nickte. Für jemanden, der zuvor nie geweint hatte, hatte ich in letzter Zeit sehr häufig feuchte Augen.
Er tastete in seiner Tasche herum und holte eine Kette aus schwarzen Korallen mit einem Anhänger hervor. Er legte sie sich um den Hals; auf seiner Brust hing jetzt das Abzeichen des Glaubens der Menoden, eine Spirale in einem Dreieck. Es war eine symbolische Geste, ein öffentliches Bekenntnis zu dem, was und wer er war. » Ich schließe dich in meine Gebete ein, so lange ich lebe«, sagte er.
» Das kann nicht schaden«, erwiderte ich.
Wir lächelten einander an, ein leeres, schmerzhaftes Lächeln. » Ich werde meine Meinung nie ändern, Glut. Vergiss das nicht, wenn du mich jemals brauchen solltest«, sagte er, und dann ging er.
Ist meine Geschichte damit zu Ende erzählt? O nein, was Gorthen-Nehrung betrifft, habe ich das Ende noch nicht ganz erreicht. Noch nicht ganz.
Und natürlich war das, was dort geschehen ist, in vielerlei Hinsicht ohnehin nur der Anfang einer viel größeren Geschichte. Wie ich irgendwann zu Beginn dieser Geschichte sagte, sind die Samen des Wandels, des Großen Wandels, auf Gorthen-Nehrung gesät worden. Damit sich der Wandel vollziehen konnte, war es notwendig, dass ich sowohl die Wahrer wie auch Thor Reyder zurückwies und meine Zukunft mit der von Flamme und Ruarth Windreiter verband. Denn ohne mich, ohne mein Schwert und mein Wissen über die zwielichtige Welt der Inseln, hätten sie niemals lange genug überleben können, um das zu tun, was sie getan haben, und die Inseln des Ruhms wären zu einem anderen Ort geworden. Ihr hättet eine andere Welt vorgefunden, als Ihr von Eurem Volk herkamt. Vielleicht wärt Ihr von Morthred dem Wahnsinnigen in Empfang genommen worden.
Und außerdem: Wenn ich bei Thor geblieben wäre, hätte er den Antrieb und die wütende Leidenschaft verloren, die ihn zu dem visionären Anführer gemacht haben, der er geworden ist, und die aus ihm jenen Mann gemacht haben, der sowohl den Rat der Patriarchen als auch die Macht der Wahrer herausforderte – und damit letztlich auch das Wesen der Silbmagie selbst. Wenn ich Thor nicht zurückgewiesen
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