Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler

seinen Männern; stattdessen habe ich dafür gesorgt, dass die ganze Inselgruppe untergeht. Es war aufsehenerregend. Ich glaube, ich würde es wieder genauso machen, wenn ich noch einmal in der gleichen Lage wäre.«
    » Und die Vögel?«, fragte ich. » Wieso die Vögel?« Ich versuchte, ihn meine kranke Furcht nicht spüren zu lassen. Was für eine Macht dieser Mann einmal gehabt haben musste … mehr als irgendein anderer Dunkelmeister vor ihm oder nach ihm. Würde er in der Lage sein, so etwas noch einmal zu tun? Könnte er es jetzt tun?
    » Als ich sah, was passierte, wollte ich verhindern, dass alle sterben«, erklärte er. » Was für eine Strafe wäre das gewesen? Es war besser, sie noch ein bisschen länger leben zu lassen, in dem Wissen, was ich ihnen angetan hatte, was ich ihrem Land angetan hatte. Kleine, unbeschreibliche, machtlose Vögel, die man in seiner Hand zermalmen und in einem Käfig halten konnte … aber was für schreckliche Erinnerungen sie hatten.« Er lächelte.
    Wenn er vorgehabt hatte, mich zu schockieren, so war er erfolgreich. Vielleicht waren die abgestumpfte Gleichgültigkeit gegenüber dem, was er getan hatte, und der vollkommene Mangel an Reue ja zu erwarten gewesen. Aber angesichts des Ausmaßes seiner Verbrechen erschütterte es mich dennoch.
    Er sah meine Reaktion und genoss sie, ganz offensichtlich. » Das war es wert, Glut. Es war den Rückschlag wert, den mein Körper erlitten hat. Es war all die vielen Jahre voller Schwäche wert, in denen ich kaum einen Zauberspruch zustande gebracht habe. Es war all die Jahre wert, die ich gebraucht habe, um mich zu erholen.« Sein Lächeln war spöttisch. » Die Dunstigen Inseln zu versenken war für mich der größte Orgasmus, den die Welt je erlebt hatte oder jemals erleben wird.«
    Mit diesen Worten öffnete er die Tür und schickte sich an, die Scheune zu verlassen. Er genoss diesen Abgang, das wusste ich, und so musste ich ihn zerstören. » Wie lauteten die Namen Eurer kleinen Schwestern, Gethelred?«, fragte ich.
    Er stockte mitten im Schritt und blieb wie erstarrt im Türrahmen stehen.
    Ich mag zwar nicht Gilfeders Nase haben, aber ich kann jederzeit Schwachstellen ausschnüffeln. Ich wusste, schon bevor ich diese Worte sagte, dass ich meine Situation damit nicht verbessern würde, aber das spielte keine Rolle. Zu sehen, dass ihn etwas verletzte, war wichtiger.
    Nun, ich habe nie behauptet, dass ich nett bin, oder?

kkk
    Brief des Feldforschers (Sonderbeauftragten) S. iso Fabold, Nationalforschungsministerium, Bundeshandelsministerium, Kell, an den Leitenden M. iso Kipswon, Präsident der Nationalen Gesellschaft für das Wissenschaftliche, Anthropologische und Ethnographische Studium nicht-kellischer Völker.
    Heutiges Datum, 59 – 2 .Dunkelmond – 1793
    Lieber Onkel,
    es freut mich, dass das Komitee meine neuen Ausführungen über die religiösen Praktiken der Ruhmesinseln begrüßt hat. Ich werde meine Assistenten bitten, die magischen Licht-Bilder zu entwerfen.
    In der Zwischenzeit schreiten die Vorbereitungen für die nächste Reise voran. Ich stelle fest, dass es gewisse Vorteile hat, den Rückhalt der Missionare zu besitzen: Ein großer Druck liegt auf den verschiedenen beteiligten Ministerien, und infolgedessen geht alles zügig voran. Ich glaube, Seine Exzellenz der Protektor hat selbst ein Interesse daran. Unglücklicherweise scheint das Interesse von S. E. hauptsächlich durch Ihre Exzellenz begründet zu werden: Sie drängt darauf, dass auch Frauen in die Expedition aufgenommen werden. Kannst du dir das vorstellen? Hat unsere königliche Herrin ihren Verstand verloren? Manchmal frage ich mich, warum wir damals, als wir uns während der Revolution unserer Könige und Königinnen entledigt haben, nicht auch daran gearbeitet haben, das gesamte Königtum der Kellen zu beseitigen – wieso haben wir zugelassen, dass dieses Überbleibsel sich weiter an den Staat klammert und sein Unwesen treibt? Sie sollten sich darauf beschränken, Ausstellungen zu eröffnen und die Debattier-Häuser in die Sommerpause zu verabschieden, was ihre eigentliche Aufgabe ist.
    Anyara stimmt natürlich der Protektorin aus vollem Herzen zu!
    Da fällt mir ein, Anyara hat einige hübsche Zeichnungen auf der Grundlage von Material der Ruhmesinseln für mich angefertigt. Sie ist außerordentlich talentiert. Ich werde die Zeichnungen als Illustrationen für das Buch benutzen, das ich eines Tages über meine Reisen schreiben werde. Sofern ich jemals die