Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
hindeutete.
» Ruarth, ich muss an mein Schwert kommen. Es liegt auf dem Boden da drüben.«
Es ist zu schwer für mich, ich kann es nicht aufheben, sagte er und sprach damit aus, was offensichtlich war.
» Ja, natürlich. Du musst Sucher finden und herholen. Oder Dek. Oder bring mir ein Seil, das lang genug ist, um vom Griff bis hierher zu reichen. Rasch jetzt, geh!«
Er flog weg, ohne zu murren.
Ich hatte auch ein biegsames Messer in einem meiner Stiefelschäfte und einen Dietrich im Absatz – eine alte Gewohnheit, die ich wieder aufgenommen hatte, nachdem ich in Mekatéhaven verhaftet worden war. Das Problem war nur, dass ich nicht wusste, wie ich an diese Sachen rankommen sollte, so festgebunden, wie ich war. Ich sah zum Balken hoch und dann hinüber zu dem Pfosten, an dem das Seil befestigt war. Das Seil war straff gespannt, aber der Pfosten stand leicht schräg … nicht sehr viel, aber doch genug, um etwas zu bewegen. Wenn ich mich ein Stück zur Seite schob, direkt unter den Balken, und das Seil dabei irgendwie mitnehmen konnte, würde ich die Entfernung zwischen mir und dem Pfosten verkürzen. Und das würde bedeuten, dass das Seil etwas schlaffer hing …
Ich stellte mich auf die Fußballen und bewegte den Kopf mit einem Ruck zur Seite, gegen das Seil. Glücklicherweise befand sich der Knoten seitlich am Hals und nicht im Nacken, was es ein bisschen leichter machte. Aber auch so war es eine schmerzhaft langsame Angelegenheit. Das Seil verhakte sich immer wieder an den rauen Kanten des Balkens. Als ich einmal das Gleichgewicht verlor, hätte ich mich fast selbst erhängt. Einen schmerzhaften Zoll nach dem anderen näherte ich mich dem Pfosten. Schließlich war ich genau gegenüber von ihm, und das Seil war nicht mehr gespannt. Ich machte einen Schritt rückwärts, woraufhin das Seil über den Balken rutschte, und hatte das Spiel, das ich brauchte. Es war nicht viel, aber immerhin musste ich jetzt nicht mehr ganz aufrecht stehen, um Luft zu bekommen; ich konnte meinen Körper herumdrehen, konnte meinen Kopf neigen, um einen Blick hinter mich zu werfen. Jetzt konnte ich mich sicherlich genug bewegen, um meine Schuhe auszuziehen. Ich winkelte das rechte Bein hinter mir an und bekam meinen Fuß mit den Fingern zu fassen. Ich würde die Schnürbänder lösen müssen, bevor ich den Schuh ausziehen konnte, was schwierig war, solange meine Handgelenke zusammengebunden waren.
Ich machte mich an die Arbeit.
Während ich mit den Knoten beschäftigt war, versuchte ich zu verstehen, was geschehen war, und einen Sinn in alldem zu erkennen. Flamme musste selbst jetzt noch über einen Rest von Würde verfügen. Sie hatte Morthred offenbar nichts von Ruarth erzählt. Und Morthred hatte gesagt, dass er ihre Mithilfe brauchte. Wäre sie vollständig umgewandelt gewesen, hätte er sie bereits. Sie hätte einfach getan, was er gewollt hätte, ohne Fragen zu stellen. Sie würde tun wollen, was er vorschlug. Also musste ein Rest von ihrem eigenen Selbst unberührt geblieben sein. Um diesen Teil zu beherrschen musste Morthred Druck auf sie ausüben. Also hatte er gelogen. Er hatte ihr gesagt, dass Dek und ich am Leben bleiben würden, wenn sie sich fügte – nur, wieso brauchte er überhaupt ihre Bereitwilligkeit? Er konnte sie zwingen, wenn es sein musste, oder nicht?
Oder war es nötig, dass sie etwas aus freiem Willen tat?
Und wenn sie nicht umgewandelt war, was war dann los mit ihr, dass sie uns verraten hatte? Es gab jede Menge Dunkelmagie um sie herum, aber es war unmöglich zu sagen, welche davon ihre eigene war und welche die von Morthred.
Und was genau sollte die Inselgruppe umfassen? Und wieso zur Hölle dachte ich überhaupt jetzt darüber nach? Ich musste sehen, dass ich hier rauskam!
Meine Finger fühlten sich allmählich taub an: Meine Handgelenke waren bei weitem zu fest zusammengebunden. Ich tastete nach den Knoten, aber ich war nicht sehr erfolgreich. Ich hatte es immer noch nicht geschafft, den Schuh auszuziehen, als vier Silbmagier in die Scheune traten. Vermutlich hatte Morthred ihnen befohlen, mich zu bewachen. Ich stellte meinen Fuß wieder auf den Boden. Sie sprachen kein Wort, als sie hereinkamen, sondern stellten sich einfach mit gezogenen Schwertern in je eine Ecke. Es war unmöglich, dass diejenigen, die in den Ecken hinter mir standen, es nicht bemerken würden, wenn ich ein Messer aus dem Stiefel ziehen sollte, aber ich stellte mich trotzdem auf ein Bein und arbeitete weiter an den
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