Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
gehörte, und auf Gluts Veranlassung hin hatte ich meine Sommersprossen mit großzügig aufgetragenem Gesichtspuder abgedeckt (danach musste ich den Drang unterdrücken, mein Gesicht mit den Händen zu berühren und die Fingerspitzen anzusehen). Ich war dankbar dafür, dass die Tradition es den Wachen – mit Ausnahme ihres Hauptmanns und des Sekurias – verbot, in unmittelbarer Nähe des Inselherrn eine Waffe zu tragen; ich hätte nicht gewusst, was ich mit einem Schwert hätte anstellen sollen, und mich wahrscheinlich zum Narren gemacht, indem ich es irgendwie zwischen die Beine bekommen hätte und darübergestolpert und mit dem Gesicht voran auf den Boden gefallen wäre. Allerdings steckte ich mir meinen Dolch in den Stiefel, was dem Sekuria, dem Hauptmann und dem Inselherrn bekannt war.
Als ich an diesem Morgen beim Frühstück hinter Xetiana, Morthred und Flamme Position bezog, warf ich immer wieder so unauffällig wie möglich Flamme einen Blick zu. Sie sah nicht in meine Richtung, und ich bezweifelte, dass sie mich überhaupt wahrnahm. Schließlich war ich nur ein Mann in einer Uniform, einer von vielen. Aber es war mehr als nur das. Sie wirkte weit weg, zurückgezogen. Sie sprach zwar, wenn sie angesprochen wurde, und dann auch höflich und vernünftig, aber sie machte nie von sich aus eine Bemerkung. Ihre Miene wirkte sowohl gequält als auch fern. Sie erinnerte mich an ehemalige Patienten, die einen unvorstellbaren Verlust erlitten hatten; den Tod eines kleinen Kindes zum Beispiel. Bei den Himmeln, fragte ich mich, wird sie sich jemals von all dem erholen, was man ihr angetan hatte?
Ich wollte etwas tun, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, vielleicht etwas umstoßen, damit sie mich einfach nur ansah und erkannte. Ich wollte ihr wortlos mitteilen, dass sie nicht allein war. Aber ich unterdrückte diesen Drang; es wäre töricht gewesen, ein solches Risiko einzugehen.
Ich konnte jetzt die sie umgebende Dunkelmagie riechen, als wäre sie Wundbrand. Die Aromen der anderen umgewandelten Silbbegabten ähnelten einander, aber ihres war ganz anders. Irgendwie … unausgewogener, und dann war da noch etwas. Ich versuchte, meinen Finger draufzulegen und es festzumachen, und dann hatte ich es: Alle anderen rochen in etwa so wie Morthred. Sie nicht. Ihr Geruch war übel und stank und war falsch, aber es war nicht der von Morthred. Ich versuchte, das zu verstehen, aber es gelang mir nicht. Glut und Reyder hatten beide immer wieder erklärt, dass da etwas Eigenartiges an Flammes Umwandlung wäre, dass es kein Wiederaufflackern ihrer ersten Infektion auf Gorthen-Nehrung sein konnte, aber wir hatten das Rätsel noch nicht gelöst. Vielleicht, dachte ich, während ich an meinem Platz stand, würden wir es nie lösen.
Auch die Süße der Silbmagie war in ihr, was ich als gutes Zeichen wertete. Ein Teil von ihr schlug zurück. Die Silbin verlor zwar, aber sie hatte nicht aufgehört, es zu versuchen. Als ich an das zurückdachte, was Glut mir in der Nacht zuvor erzählt hatte, war ich überwältigt davon, mit welchem Mut sie kämpfte, wie entschlossen sie war, ihre Integrität zu wahren. Sie musste gewusst haben, dass ihre Chancen, als Silbin zu überleben, gleich null waren, und dennoch weigerte sie sich aufzugeben.
Als ich Morthred-Gethelred ansah, hatte ich Mühe, meine Wut zurückzuhalten. Der Dunkelmeister konnte neben der Frau sitzen, die er wiederholt vergewaltigt hatte, und lustige Geschichten erzählen und seinen Charme versprühen, so dass er auch Xetianas Hofdamen für sich einnahm. Er konnte einfach dasitzen und dem Inselherrn schmeicheln, während die Verdorbenheit sich weiter in Flammes Körper ausbreitete und sie in ein Wesen verwandelte, das sie nicht sein wollte. Die Vergiftung durch Dunkelmagie war eine teuflische Art und Weise, jemanden zu ermorden. Die schlimmste, denn sie ließ das Opfer am Leben, so dass es sich ständig des Todes des wahren Selbsts bewusst war.
Als Glut und Reyder mich früher an diesem Morgen zur Seite genommen und mit mir noch einmal den endgültigen Plan durchgegangen waren – sowie die Rolle, die ich darin zu spielen hatte –, hatte ich keine Einwände erhoben. Nach dem, was Glut mir in der Nacht zuvor erzählt hatte, wollte ich Morthreds Tod so sehr, dass alle Vorbehalte, die ich bisher dagegen gehabt hatte, irgendwie an seiner Ermordung beteiligt zu sein, verschwunden waren. Um die Wahrheit zu sagen hatte Gluts Darstellung von Flammes Leiden mir so große Übelkeit
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