Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
fast Mitternacht sein, aber ich konnte das nicht sicher erkennen, weil es unmöglich war, den Himmel zu sehen. Zu viel Qualm und Übles hing in der Luft, wie es in Mekatéhaven oft der Fall war.
Der Hund folgte uns immer noch; er schnüffelte um Skandors Füße herum oder verschwand im Unterholz, um irgendwann mit matschverschmierten Beinen und heraushängender Zunge zu uns zurückzukehren. Seine Füße – wulstige Dinger von der Größe eines runden Käselaibs – erinnerten mehr an einen Graslöwen und ließen in mir die Frage aufkeimen, ob es sich wirklich um einen Hund handelte. Er hatte eine ganz besondere Art zu gehen: Seine Hinterbeine schienen die vorderen ständig rechterhand überholen zu wollen, was irgendwie beunruhigend wirkte. Man konnte nie sicher sein, ob er direkt auf einen zukam oder irgendwo anders hinging. Er war ein heruntergekommenes Tier, dessen Fell ungleichmäßig lang war und noch von Flecken aus nackter Haut durchsetzt, als wäre er an manchen Stellen von einem Heer von Hautmilben überfallen worden. Glut ließ Skandor anhalten. » Sind das ihre Häuser?«, fragte sie mich. Die Gebäude am Ende des Weges lagen alle im Dunkeln, wie man es um diese Stunde erwarten konnte, und unter den Bäumen war es fast unmöglich, irgendetwas zu erkennen.
» Ich vermute es«, erwiderte ich. » Ich war noch nie hier. Habt Ihr vor, jemanden aufzuwecken?«
» Das wird nicht nötig sein«, erklang eine Stimme aus der Düsternis. » Braucht Ihr eine Tätowierung?«
» Nein«, sagte Glut. » Nur ein Ghemf. Oder vielleicht eines der Älteren.«
Kurzes Schweigen folgte. » Ich gehöre zu den Ältesten«, kam dann die Antwort.
Glut sprang auf den Boden hinunter und reichte mir die Zügel. Wortlos streckte sie der schemenhaften Gestalt, die vor einem der Häuser stand, ihre rechte Hand entgegen, mit der Handfläche nach oben. Sie hob die Laterne, um zu beleuchten, was sie zeigte. Ich erhaschte nur einen Blick auf etwas Goldenes. Das Ghemf sah darauf und zischte vor Überraschung. Was immer sie ihm gezeigt hatte, es verblüffte das Ghemf so sehr, dass es nach Luft schnappte. » Wer hat das gemacht?«, fragte es. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, welches Geschlecht es besaß; nicht einmal mein Geruchssinn verriet mir etwas. Ghemfe verströmten keinen richtigen Geruch, sie waren etwa so neutral wie der Morgentau.
» Aylsa«, sagte sie. » Sie erwies mir außerdem die Ehre, mir ihren Geistnamen zu verraten.«
» Das ist in der Tat eine Ehre«, flüsterte das Ghemf. » Und Ihr seid gekommen, um mir von ihrem Tod zu berichten.«
» Äh, ja. Habt Ihr … habt Ihr sie gekannt?«
» Sie stammte nicht von meiner Schale. Wir sind uns nie begegnet.«
Glut nickte, aber ich war mir nicht sicher, ob sie verstand. » Es ist schon spät«, sagte sie. » Ich habe viel zu sagen, aber vielleicht hat es Zeit bis morgen. Können wir irgendwo für die Nacht ein Dach über dem Kopf finden?«
Es schien verblüfft zu sein, als hätte sie um etwas gebeten, über das es nicht verfügte, aber schließlich sagte es: » Dahinten ist eine Scheune.« Es nickte in Richtung eines Gebäudes, das bei den hinteren Häusern stand und kaum zu erkennen war.
» Das wäre schön.«
» Es gibt dort auch etwas Gras und Wasser für Euer Tier«, sagte es, während es uns zur Scheune führte und die Tür öffnete. » Wie sieht es mit Wasser für Euch selbst aus?«
» Es reicht für die Nacht«, erwiderte ich.
» Dann wünsche ich Euch eine gute Nacht.« Das Ghemf verneigte sich und verschmolz mit der Dunkelheit. Ich sah nicht, welches Haus es betrat, wenn es überhaupt so etwas tat. Ich hatte es in der Dunkelheit nicht sehr gut gesehen, aber es kam mir so vor, als wäre es nass gewesen, und was ich zuvor für ein Kleidungsstück gehalten hatte, war vielleicht nichts weiter gewesen als ein Lendentuch oder Handtuch. Was mir seltsam vorkam. Wieso hatte es in der Dunkelheit draußen ein Bad genommen?
Die Scheune war groß genug für uns alle, so dass wir uns ein Bett auf dem Stroh bauen konnten und auch Skandor unterbrachten. Es gab zwei Ziegen und viele Hühner, und als Letztere sich erst von dem heftigen Schock erholt hatten, dass sie von einem großen Hund beschnüffelt wurden, konnten wir uns alle zum Schlafen hinlegen. Bevor ich die Augen schloss, fragte ich: » Das is Euer Hund, ja? Denn mir gehört er nich.«
Glut lachte in der Dunkelheit. » Ja. Das ist Sucher. Er ist ein halber Venn-Lurger. Ein Wasserhund.«
» Oh. Ich dachte nur,
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