Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
als wir eintraten. Die Innendekoration war außergewöhnlich, selbst für jemanden wie mich, der im Palast von Cirkase aufgewachsen war. Der letzte Sekuria war ein Jäger gewesen, und die Einlegearbeiten auf dem Boden, die aus verschieden gefärbten Hölzern bestanden, stellten eine Jagdszene mit Männern, Hunden, aufgespießten Tieren und von Pfeilen getroffenen Fasanen dar. Die Wände des Empfangsraums waren mit Bas-Reliefs aus Porzellan verkleidet, die nackte Frauen in verschiedenen aufreizenden Posen zeigten.
» Ah«, sagte Keren zu Trysis. » Das wird uns helfen, falls wir bezüglich der weiblichen Anatomie Hilfe benötigen.«
Devenys unterdrückte ein Lachen. Trysis schnaubte. » Und wer ist für all das hier verantwortlich?«, wollte sie von mir wissen. Sie machte eine Handbewegung, die sämtliche Wände einschloss. Es war unübersehbar, was sie von dem Wandschmuck hielt. » Der Basteiherr?«
Ich zuckte mit den Schultern, aber ich vermutete, dass er nichts damit zu tun hatte. Ich hatte von Lyssals Gemächern aus einen Blick in Trigaans Zimmer geworfen und gesehen, dass jede Menge Marmorstatuen von nackten Männern und engelgleichen Jungen darin standen.
» He, guckt euch das mal an«, rief Devenys vom angrenzenden Schlafzimmer aus. » Das Dach hat…«
» Ich glaube nicht, dass wir auf Einzelheiten eingehen müssen, Liebling«, sagte Trysis eilig. » Ich kann es mir denken.«
Ich gab ihnen die nötigen Informationen, was die Abläufe im Palast betraf. Als ich fertig war, sagte Trysis: » Habt Ihr schon einmal daran gedacht, einen Heiler aufzusuchen, der sich um Euer Sprachproblem kümmert, Syr? Wenn dem eine körperliche Ursache zugrunde liegt, könnten wir Euch vielleicht helfen. Möchtet Ihr, dass wir Euch helfen?«
Ihre Freundlichkeit schmerzte. Mein Schweigen konnte diese Menschen töten, dachte ich. Sie hatten keine Ahnung, dass sie mit Dunkelmagie zu tun hatten. Keren und Devenys konnten umgewandelt werden, wann immer Lyssal danach war.
Und dennoch sagte ich nichts. Mein Kopf sank nach unten.
» Wann immer Ihr uns braucht«, sagte Keren. » Fragt uns einfach.«
Ich nickte und kam mir so erbärmlich vor wie eine Raupe.
Da ich in dieser Nacht nicht schlafen konnte, wanderte ich im Palast herum. Die Wachen– vor allen Gemächern standen welche– kannten mich natürlich, und nie hielt mich jemand auf. Meine Freiheit beruhte auf einer unbesonnenen Bemerkung von Lyssal, dass ich hingehen könnte, wohin ich wollte– eine Forderung, die ihren Ursprung in einem dummen Vorfall hatte, als ich eines Tages einen Auftrag von ihr nicht ausführen konnte, weil ich von Wachen aufgehalten worden war. Seither konnte ich herumlaufen, wo immer ich wollte, sofern ich die Schlüssel hatte. Und ich hatte Zugang zu Lyssals Schlüsseln.
Ich nutzte diese Freiheit, um im Blick zu behalten, was sie tat. Am Ende des ersten Monats machte ich mir Sorgen; am Ende des zweiten Monats bekam ich Angst. Mehr und mehr junge Männer wurden zu Wacheinheiten angeworben, nicht nur in Brethbastei, sondern in ganz Breth. Sie plante, diese Einheiten unter den Befehl umgewandelter Silbmagier zu stellen. Sie förderte den Abbau von Salpeter und sorgte dafür, dass es in einer Hafenstadt namens Kovo gelagert wurde, wo Alchemisten an seiner Verfeinerung arbeiteten. Sie hatte ihrem Vater in Cirkase geschrieben und Breths Bereitschaft angekündigt, Schwefel zu kaufen. Sie schickte Holzfäller aus, die die Wälder bei der Theron-Enge zerstörten, die sich nördlich von Brethbastei befand, und ließ Holzkohle herstellen und Holz für weitere Schiffe schlagen. Sie beauftragte Minenarbeiter, die Insel Ayin zu durchstöbern, um nach weiteren Zink- und Kupfer- und Bleiadern zu suchen. Sie lockte Bronze- und Eisenarbeiter, Zimmerleute und Schiffsbauer von allen Teilen der Insel nach Brethbastei, indem sie ihnen höhere Löhne bot. Schlimmer noch, sie schickte Leute zur Nabe und bot jenen Männern, die die Wahrer-Schiffe mit Kanonen ausgestattet und in den Gießereien die Waffen hergestellt hatten, Riesensummen als Gegenleistung dafür, dass sie ihr die Konstruktionspläne überließen – und es schien sie ganz und gar nicht zu interessieren, was der Wahrer-Rat davon halten würde, wenn er es erfuhr.
Erschüttert ging ich ihre Papiere durch und begriff allmählich, wie weit gesteckt ihre Ziele waren– und wie weit ihr Arm reichte. Sie wollte ein militärisches Inselreich schaffen, das von einer Oberschicht aus umgewandelten Silbmagiern geleitet
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