Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
Ich verbrachte meine Zeit mit Marten und meinen anrüchigeren Freunden. Ich verspielte meinen Lohn und betrank mich jede Nacht bis zur Besinnungslosigkeit, leistete mir so bescheuerte Heldentaten wie über die Firstbalken des Büros der Matriarchin zu gehen, um meinen Mut unter Beweis zu stellen, oder ich kletterte im Rahmen einer Wette auf sämtliche Türme der Universität. Ich ritt mit einer Waghalsigkeit auf meinem Gleiter, die es verdiente, bestraft zu werden– die aber nie bestraft wurde. Und jeden Tag hörte ich, dass wieder einer von den sieben gestorben war, bis es keine mehr gab, von denen man hätte hören können.
Die Wochen schleppten sich dahin. Ich verlor Gewicht, aber ich erwarb mir den Ruf, dass es nicht ratsam war, sich mit mir anzulegen. Meine Freunde fingen an, mich zu meiden; nur Marten blieb mir treu, obwohl ich seine Freundschaft bis zur äußersten Grenze strapazierte. Ich stand kurz davor, aus der Gilde ausgeschlossen zu werden, weil mein Verhalten für einen Syr-Gezeitenreiter unzumutbar geworden war. Sie meinten damit mein ständiges Betrunkensein.
Wenn ich oben in der Stadt gelegentlich Reyder zu Gesicht bekam, wirkte er, als würde er von etwas heimgesucht; Kelwyn wirkte hager. Nur Garwin schien noch immer der Gleiche zu sein. Kelwyn bekam mich eines Tages zu fassen und erklärte mir, dass Garwin die Experimente weiterführen wollte, weil er nicht glaubte, dass das Mittel die sieben getötet hatte. Kelwyn und Reyder blieben allerdings hartnäckig bei ihrem Entschluss, die Experimente nicht wieder aufzunehmen. Kelwyns Anblick, seine Not, ließ mich meine Schuld wie eine Bürde spüren, wie ein Gewicht, wie eine Last, die sich in meine Brust senkte und nicht vergehen wollte. Zu diesem Zeitpunkt spürte Kelwyn meine Schuldgefühle natürlich, aber er dachte, sie hätten die gleichen Wurzeln wie seine eigenen. Er war einfach ein zu guter Mensch, der sich niemals hätte träumen lassen, dass ich stillschweigend mehrere Morde geduldet hatte.
Ich ging weiterhin allen dreien aus dem Weg.
Und dann, kurz vor dem Fest der Walkönig-Flutwelle und fast zwei Monate, nachdem Jesenda die Nabe verlassen hatte, begann sich alles zu entwirren.
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Erzähler: Elarn
Es fing mit der Ankunft der drei Wahrer-Schiffe aus Breth an.
Ich befand mich gerade im Hafen von Tenkor, als ich hörte, wie jemand erwähnte, dass die Wahrer-Schiffe zurückkehren würden. Ich stieg auf den Turm der Gildenhalle beim Ufer, um nachzusehen. Die Sicht nach Norden, zur Nabe hin, war schlecht, denn im Inland regnete es, und immer wieder flackerten heftige Blitze über den Sturmwolken auf. Im Süden hingegen, Richtung Ozean… nun, kann es einen großartigeren Anblick geben als drei Wahrer-Schiffe, die stolz auf der Flutwelle reitend unter vollen Segeln in die Nabenrinne einlaufen und deren Flaggen sich vor dem Hintergrund eines wütenden Himmels abzeichnen? Sie waren atemberaubend.
Normalerweise waren die Wahrer-Schiffe so sehr bestrebt, möglichst weit auf der Flutwelle zu reiten, dass in dem Moment, in dem sie die stehende Welle passierten, ihre Signalflaggen hochgingen und sie nach Lotsen riefen. Unsere Lotsen– allesamt ehemalige Streicher, die sich aus dem Arbeitsleben zurückgezogen hatten– wurden dann hinausgerudert und an Bord genommen, ohne dass das Schiff die Welle verlor. Ich erwartete, dass das auch diesmal geschehen würde, und daher war ich überrascht– und mein Herz schlug plötzlich schneller–, als ich bemerkte, dass nur zwei der drei Schiffe nach Lotsen riefen. Ich benutzte das Fernglas, das auf einem Stativ im Turm befestigt war, um ihre Namen lesen zu können: die Stolz der Wahrer und die Gerechtigkeit der Wahrer. Die Herz der Wahrer hingegen signalisierte ihre Absicht, in dem Gebiet zu ankern, das als Reede bekannt ist; hier warteten Schiffe gewöhnlich, wenn kein Liegeplatz am Kai frei war.
Ich kam zu dem Schluss, dass es Jesenda war. Dass sie mich treffen wollte, weil sie es nicht erwarten konnte, mich wiederzusehen… Sie hatte sich eine Ausrede einfallen lassen, um einen Zwischenstopp einzulegen.
Es gibt keinen größeren Narren als einen verliebten jungen Mann. Niemand ist so naiv, so bereit, das zu glauben, was er gern für die Wahrheit halten würde, statt die Wirklichkeit zu sehen. Dass Jesenda den Kapitän eines Schiffes der Flotte überreden würde oder könnte, die Flutwelle zu verlassen, damit sie mit ihrem Liebhaber herumtändeln konnte, war lächerlich, und ich hätte es wissen
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