Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
gibt, um ihn dann sanft in die eine oder andere Richtung zu ziehen… Sie wollten mich, weil ich der war, der ich war– jemand, der Zugang zu etwas Bestimmtem hatte, jemand, den sie für einen mächtigen Silbmagier und Gezeitenreiter hielten, der eines Tages ein Gewinn für die Macht des Wahrer-Rates sein würde.
Meine Scham erfüllte meinen Körper und erhitzte meine Haut. Sieben unschuldige Menschen waren wegen meiner Verliebtheit gestorben. Sieben Menschen, die auf dem Scheiterhaufen des Stolzes eines jungen Mannes und seiner erotischen Bedürfnisse geopfert worden waren. Und ich konnte nichts tun, um ihr Schicksal rückgängig zu machen. Für sie war es vorbei. Dabei hatte ich sie nicht einmal gekannt. Waren es Familienväter gewesen? Geldverdiener? Mütter? Waren sie jung gewesen oder alt, aufrechte Bürger oder verlogene Betrüger? Waren sie Großeltern oder sogar Kinder gewesen? Ich hatte keine Ahnung.
Ich dachte an Cissy. Daran, wie sie sich gefühlt haben musste, in den Minuten, bevor sie gestorben war. Verbittert, betrogen, hereingelegt. Schwanger mit dem Kind eines Mannes, den sie nicht länger achten oder auch nur mögen konnte. Und zum ersten Mal begriff ich, was ich ihr angetan hatte. Zum ersten Mal empfand ich mehr als nur Mitleid, mehr als nur Erleichterung. Ich spürte Trauer, nicht weil ich sie geliebt hatte– das hatte ich nicht, und das war auch nicht zu ändern–, sondern weil ich sie verraten hatte und sie das nicht verdient hatte.
Als ich schließlich vor der Gildenhalle auf den Kai kletterte, fror und zitterte ich. Aus jeder Pore meines Körpers tropfte Schuldgefühl.
Denny war da und half mir. Er musste im Turm gewartet und von dort aus zugesehen haben, obwohl er keinerlei Verpflichtung hatte, das zu tun, weil ich nicht im Auftrag der Gilde unterwegs gewesen war. Das sagte ich ihm auch, doch er lächelte nur und kümmerte sich um den Gezeitengleiter. Ich kehrte zur Halle zurück, wusch mich und wechselte meine Kleidung und hüllte mich dann für den Weg hinauf zur Synode in mein Ölzeug. Inzwischen war es kurz vor Mitternacht, und der Regen war noch stärker, der Wind heftiger, die Wolken dicker geworden. Die Wache am Tor war nicht gerade erpicht darauf, mich um diese Stunde einzulassen, aber ich vermute, es war schwer, den Sohn des Gildners abzuweisen, besonders als ich erklärte, dass es sich um einen Notfall handeln würde.
Ich versuchte es zunächst in Reyders Zimmer, aber er war nicht da. Auch Kelwyn war nicht in seinem. Schließlich fand ich beide unten in Garwins Zimmer. Sie tranken, aber der Alkohol schien die Atmosphäre nicht gelockert zu haben. Drei Hummer, die verdrießlich über das kochende Wasser im Topf nachdachten, hätten fröhlicher ausgesehen als diese drei Männer.
Es war Kelwyn, der mir die Tür öffnete. » Und?«, fragte er und zog mich ins Zimmer, als würde er befürchten, dass ich meine Meinung ändern könnte. » Was habt Ihr rausgefunden?«
Er hat gewusst, dass ich es bin, dachte ich. Er hat gewusst, dass ich an der Tür war. Was zur Hölle war nur los mit diesen Hochländern und ihren Nasen? Waren sie Bluthunde?
Ich hatte mein Ölzeug natürlich unten gelassen, aber trotzdem tropfte Wasser von meiner Kappe und rann mein Gesicht entlang, als wären es Tränen. Und plötzlich waren sie alle ganz still und starrten mich an. Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, als könnten sie in mir lesen wie in einem Buch.
Es war Garwin, der als Erster sprach. » Setzt Euch, Junge, hier, kommt ans Feuer.« Er nahm ein Glas und goss etwas hinein; Branntwein von Quiller, wenn ich mich nicht irre. » Hier, trinkt das. Es wird ein Feuer in Eurem Bauch entfachen und dafür sorgen, dass Eure Haare sich kringeln.« Er riss mir die Kappe vom Kopf und hängte sie an den Kaminsims, wo sie– immer noch tropfnass– zu dampfen begann. » Und jetzt«, fügte er hinzu, als ich getan hatte, was er gesagt hatte, » könnt Ihr uns vielleicht erzählen, warum Ihr so ausseht, als hätte man Euch mit ner nassen Forelle ins Gesicht geschlagen.«
Ich räusperte mich. Mir war elend, so beschämt fühlte ich mich. » Ihr wisst, dass ich alles, was ich hier erfahren habe, Jesenda erzählt habe. Oder dem Wahrerherrn.«
» Ja«, bestätigte er. » Ihr tragt Eure Leidenschaft in Eurem Geruch, wisst Ihr. Und Verrat, nun, der hat nen ganz eigenen Geruch…«
» Ihr wisst noch nicht alles«, sagte ich. » Ihr wisst nicht einmal die Hälfte von dem, was ich getan habe. Und ich kann es Euch
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