Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
Bord geht, habt ihr noch eine Chance.« Er klang bemerkenswert nüchtern.
Draußen krachten die Wellen auf die Holzplanken des Kais. Als wir durch die Tür hinaus ins aufgewühlte Wasser ruderten, war so viel Gischt in der Luft, dass ich nicht sagen konnte, ob es regnete. Kalt und nass und stürmisch hing die Bedrohung in dieser Nacht im Geruch des Sturms, im Geschmack von Ozon, Salz und Seetang.
» Stemmt euch dagegen!«, brüllte Elarn uns an, während er am Streichruder zog– wir drohten bereits gegen die Stützpfeiler geworfen und zu Kleinholz gemacht zu werden, ehe wir überhaupt richtig unterwegs waren. Es war ein Mahlstrom, und dabei befanden wir uns immer noch im Windschatten der Insel. In der Mitte der Rinne ging es zu wie im Waschzuber einer Wäscherin– Schaum und Wasser wirbelten in alle möglichen Richtungen.
Ich roch die starke Süße der Silbmagie, und der Regen hörte auf. Oder zumindest kam es mir so vor.
» Was in allen Höllen…?«, fragte Marten und ließ fast sein Ruder fallen.
» Magie!«, brüllte Elarn gegen den Wind an. » Schutzzauber.«
Er hatte rund um uns herum einen Schutzzauber errichtet, der den Regen und die Gischt von uns fernhielt. Als ich einen Blick über die Schulter warf, begriff ich, dass er die Magie bis ein Stück vor den Bug ausgedehnt hatte, so dass sie das Wasser wie die Zacken einer Gabel durchkämmte. Ich konnte sie nicht sehen, aber ich konnte sie riechen, und ich konnte ihre Wirkung sehen. Er musste auch Silblichter benutzen, vermutete ich. Meine eigene Sicht war auf die Momente beschränkt, wenn Blitze den Himmel und das Wasser erhellten. Ich fragte mich zweifelnd, ob der Schutzzauber uns auch vor einem Blitz schützen würde, und dachte darüber nach, wie sonderbar Magie doch war. Der Schutzzauber hielt den Regen auf, aber ein Wissender– und ich, wahrscheinlich– hätte durch genau diesen Schutzzauber hindurchgehen können.
Mir hätte übel sein müssen. Die Fahrt war rau genug, dass sich auch ein erfahrener Seemann hätte erbrechen können, aber dazu kam es nicht. Vielleicht war ich zu verängstigt. Vielleicht lag es daran, das ich mich so darauf konzentrieren musste, an dem Ruder zu ziehen, dass es die Übelkeit in Schach hielt. Ich kämpfte darum, das Ruderblatt auf die richtige Weise im Wasser zu halten und meine Züge gleichzeitig mit denen von Marten zu machen, auch wenn die Wellen und der Wind versuchten, mir das Ruder aus der Hand zu reißen.
Elarn brachte uns in die Mitte der Rinne, mit dem Bug stromaufwärts, während wir darauf warteten, dass die Flutwelle uns von hinten packte. Wir mussten schwer arbeiten, um das Boot auch nur so ausgerichtet zu halten.
Zuerst hörte ich sie. Trotz der tosenden Wogen und des heulenden Windes hörte ich sie.
Ein Getöse, unirdisch und irgendwie unnatürlich. Ein lang anhaltendes Geräusch, das den Sturm verblassen ließ. Es war ein sich bewegendes Hindernis aus Wasser. Ein wildes Stück Ozean, das aus seiner Verankerung gerissen worden war und als Vorhangwand nach vorn geschickt wurde, sich uns von Ufer zu Ufer schnell nähernd und alles vor sich beiseitewischend. Ich erhaschte einen Blick darauf, als es blitzte, einen qualvollen Augenblick des bevorstehenden Unheils, sichtbar und dann von der Schwärze dieser stürmischen Nacht wieder verschluckt.
» Oh, mein Gott«, hörte ich Marten murmeln. » Und so schnell.«
» Rudert!«, schrie Elarn uns zu, und wir gehorchten. Unser Entsetzen wirkte in unseren Körpern als eine ähnlich starke Kraft wie die Flutwelle im Ozean.
Marten und ich sahen nach hinten und warteten darauf, dass sich der Schrecken aus der Dunkelheit erheben würde. Als er dann kam, war er sogar noch größer, als ich es für möglich gehalten hatte. Ein Leviathan, der sich über uns auftürmte, unmöglich riesig, dessen sich kräuselnder Kamm von Gischt gesäumt war, wie ein Spitzensaum, über dessen Antlitz Tränen aus Schaum rannen und dessen Herz aus Lärm und Macht bestand. Ich dachte: Wir sind tot. Es war unmöglich, dass wir es mit dieser Geschwindigkeit aufnehmen konnten. Die Welle würde uns umwerfen und Kleinholz aus uns machen.
Und dann verstärkte sich der Geruch von Silbmagie, und wenige Augenblicke, bevor die Welle uns traf, machte das Boot einen Satz nach vorn, und das verlieh uns den zusätzlichen Schwung, den wir brauchten, um es mit der Geschwindigkeit der Welle aufzunehmen. Elarn hatte einen Zauber als Hebel benutzt, um uns nach vorn zu treiben.
Und dann bewegten wir
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