Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
Mal bedauerte er seine Entscheidung. Seine Entschlossenheit roch so stark wie der Sturm. In gewisser Weise, dachte ich, hat er in dieser Nacht Absolution gefunden.
Der Morgen brach an, wolkenverhangen und vom Regen verborgen. Eine Stunde später kam eine Hochwasserwoge aus dem Fluss vor uns. Ich roch es zuerst und warnte Elarn, aber die Woge und das Hochwasser trafen auf eine Weise und mit einer Macht aufeinander, die ein solches Chaos gebar, dass wir noch nicht einmal versuchen konnten, es zu zähmen.
Der Bug des Bootes schoss in die Höhe, und die Ruder glitten nur noch durch Luft. Elarn legte sich gegen das Streichruder, darum bemüht, Halt zu finden– und der Schaft zerbrach. Elarn ging über Bord. Die Wucht, mit der die beiden Wellen aufeinandertrafen, erzeugte eine Wasserfontäne, die hoch in die Luft schoss, und irgendwie wirbelte ich darin, hilflos und schreiend.
Wir hatten nicht nur die Welle verloren, sondern auch das Boot.
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Erzähler: Elarn
Mein erster Gedanke war: Ich habe uns alle getötet. Mich, meinen besten Freund und Kelwyn Gilfeder. Und alles nur, weil ich die wahnwitzige Idee hatte, ich könnte bei so einem Wetter ein Langboot zur Nabe bringen. Niemand konnte eine solche See überleben. Sie war zu rau, zu kalt, zu mächtig.
Der Sturz ins Wasser war beängstigend. Innerhalb weniger Augenblicke verlor ich jede Vorstellung davon, wo oben war oder wie ich dorthin kommen sollte. Die Flaschenkürbisse waren so nützlich wie eine Tasche voller Steine. Ich wurde von den Wassermassen hin- und hergestoßen, herumgewirbelt, verprügelt. Die Kälte war betäubend. Meine Hilflosigkeit erschreckend. Meine Bemühungen hatten nicht die geringste Auswirkung. Normalerweise hätte die Flutwelle mich einfach nur hinter sich ausgespuckt, und das wär’s dann gewesen. Aber diesmal war es anders. Dies hier war das Kind des Walkönigs, das von einem Taifun genährt worden war und in eine Rinne prallte, die eine Hochwasserflut verschlungen hatte. Wir waren nichts weiter als Futter für die Bestie, die aus dieser Verbindung entstand.
Mir wurde die Luft aus der Lunge gedrückt, und ich wusste, wie es sich anfühlte zu ertrinken.
Dann spürte ich Arme um meine Brust, die mich an einen muskulösen Körper drückten. Ich dachte zuerst, es wäre Marten, der versuchte, mich zu retten. Oder Gilfeder, der sich in seiner Verzweiflung an mich klammerte. Aber diese Arme besaßen eine Kraft, die Marten in diesem Mahlstrom nie hätte aufbringen können. Und sie umklammerten mich auch nicht mit der verängstigten letzten Hoffnung eines ertrinkenden Mannes. Ihr Besitzer hatte ein Ziel und einen Orientierungssinn, auf den kein Mensch in diesem wirbelnden, wahnsinnig gewordenen Wasser hätte zurückgreifen können.
Ich kam an die Oberfläche und schnappte nach Luft. Wasser schlug über meinem Kopf zusammen, aber ich schwebte jetzt mehr oder weniger, und starke Hände hielten mich, wo ich war. Ich raffte die letzten Reste meiner Silbmacht zusammen, um ein Silblicht zu erzeugen– ein schwaches, armseliges Etwas, das aber genügte, um mich erkennen zu lassen, wer mich gerettet hatte.
Ein Ghemf.
Ich versuchte erst gar nicht, es zu verstehen. Halb ertrunken und halb benommen vor Müdigkeit und Schock und Kälte tat ich nichts anderes, als zuzusehen, wie die Ghemfe tauchten und wieder an die Oberfläche kamen und sowohl Marten als auch Gilfeder aus der Tiefe holten. Dann schleppten sie uns dahin, wo das Langboot kieloben im Wasser trieb. Ghemfe waren überall, machten sich daran, das Boot umzudrehen und auszuleeren.
Ich ließ mein Silblicht erlöschen.
Sie zogen uns die ganze Strecke bis ins Nabenbecken. Die Ruder waren weg, und ohne Ghemfe hätten wir das Ufer nie erreicht. Wir waren ohnehin viel zu erschöpft. Gilfeder erbrach sich über den Bootsrand. Es war beißend kalt. Wir denken immer, dass die südlichen Wahrer-Inseln ein mildes Klima haben, da sie von den warmen, südlichen Strömungen umspült werden, aber glaubt mir, in dieser Nacht war das Meer eiskalt, und der peitschende Wind und der prasselnde Regen brachten uns dazu, uns zitternd aneinanderzukauern. Ich hatte keine Silbmagie mehr, die ich hätte hervorrufen können, und so hatten wir keinen anderen Schutz als Gilfeders Tagaird. Sehr viel später fragte ich ihn, wie er es fertiggebracht hatte, dieses absurde Kleidungsstück bei sich zu behalten, als wir alle ins Meer gestürzt waren. Er hatte mir erklärt, dass sich kein Hochländer jemals von seinem Tagaird
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