Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
und wirkten erfreulich zerzaust, als wäre sie erst vor kurzem lediglich mit der Hand hindurchgefahren. Ihre Augen waren violett, wie es auf den Wahrer-Inseln üblich war, und sie hatten einen scharfsinnigen und intelligenten Ausdruck. Ihr Teint war makellos; die Haut– heller als meine sonnengebräunte– hatte einen goldenen Farbton, der von Wärme und Abendsonne kündete. Sie trug die schlichte Mode, die in der Nabe abends üblich war: einfachen Musselinstoff mit einem durchlöcherten, ärmellosen Mieder und einem Kleid, das unter den Brüsten gerafft war. Es war eine Mode, die es gestattete, zugleich züchtig und außerordentlich anregend zu wirken, ganz besonders bei ihr. Ihre Figur verriet, dass sie eine aktive Frau war, aber es gab auch Hinweise auf interessante Kurven und Weichheit an genau den richtigen Stellen. Das Kleid schmiegte sich beim Gehen um ihre Beine. Ihr Blick war herausfordernd. Sie war nicht im eigentlichen Sinne hübsch, aber mit ihrem direkten Blick und den zerzausten Haaren, mit dieser Figur und dieser Haut war sie atemberaubend. Selbst die Art und Weise, wie sie mich von oben bis unten ansah, mit offenem Interesse, war faszinierend.
Sie lächelte; es war ein breites Lächeln mit vollen Lippen und einem übermäßig großen Mund, ein Lächeln, in dem keinerlei Künstlichkeit lag, keine Albernheit, sondern nur aufrichtige Erheiterung, wahrscheinlich auf meine Kosten.
Von dem Moment an war ich verloren.
6
k
Erzähler: Elarn
Ich löste meine Zunge vom Gaumen und schritt auf die Vision zu, um sie zu begrüßen. Erst, als ich ihr meine Hand entgegenstreckte, erkannte ich, dass es tatsächlich Jesenda war, und ich tauchte aus der Woge der Verzauberung auf. Oder ich versuchte es zumindest. Ein Teil meines Verstandes sehnte sich immer noch nach der Vision; der andere sagte mir, dass sie– um Himmels willen– eine Silbmagierin war und ich dummer Tölpel nicht die Illusionen vergessen sollte. Ohne Illusion war sie wahrscheinlich so attraktiv wie der Frontalanblick eines Riesenlippfischs.
» Jesenda«, sagte ich und küsste ihre Finger, wie es den Gepflogenheiten der Nabe entsprach. » Wie nett, dich nach all diesen Jahren wiederzusehen. Ich hätte dich überall wiedererkannt.«
Das war als spontane Reaktion gar nicht so schlecht, aber sie konterte gut. Da war jemand, die mir mehr als ebenbürtig war. » Sei nicht albern, Elarn. Du hast mich zuerst gar nicht erkannt, als ich ins Zimmer gekommen bin. Und als du dann begriffen hast, dass ich es wohl sein muss, bist du zu dem Schluss gekommen, dass ich mich vermutlich nicht sehr von dem pickligen Mädchen unterscheide, das du nicht weiter beachtet hast, als wir uns das letzte Mal begegnet sind. Du vermutest, dass ich meine Hässlichkeit hinter einer Silb-Illusion verberge.«
Was absolut richtig war. Ich versuchte, wieder die Oberhand zu gewinnen. » Ich könnte nie so unhöflich sein, dein attraktives… äh… Äußeres für etwas anderes als das Resultat der Natur zu halten. Und du warst nie hässlich. Du warst einfach nur… in einem ungünstigen Alter. So wie ich damals.«
Sie schnaubte. » Die Leute sagen, du wärst ein Charmeur. Ich verstehe jetzt, warum. Und du hast dich wirklich anmutig aus diesem › ungünstigen Alter ‹ herausentwickelt.« Sie musterte mich abschätzend. Mein spitzenbesetzter Kragen kam mir plötzlich furchtbar eng vor, und ich musste mir Mühe geben, nicht daran zu zerren. Sie trat zu der Klingel, die an einem Band hing, während sie mich zu den Ledersesseln winkte. » Setz dich. Ich werde uns Tee bringen lassen. Möchtest du lieber Hochlandtee von den Plitschen oder Tieflandtee von Sathan?«
Das sah ihr ähnlich, mich vor eine Entscheidung zu stellen. » Beides ist gut, danke.« Zu Hause tranken wir ganz gewöhnlichen Tee, der in Kisten mit dem Stempel » Südinseln« geliefert wurde. Ich legte das Buch auf den niedrigen Tisch und setzte mich. Sie nahm mir gegenüber Platz.
» Ich glaube, da ist etwas, das du über mich wissen solltest. Genau genommen sind es sogar mehrere Sachen«, sagte sie.
» Ja?« Mehr fiel mir dazu nicht ein. Es war lange her, dass ich in Gegenwart einer Frau sprachlos gewesen war, und es gefiel mir ganz und gar nicht, mich derart angeschlagen zu fühlen, aber ich fand einfach keine Worte.
» Ich benutze keine Illusionen, um mein Aussehen zu verbessern. Ich gebe aber zu, dass ich bei unserer letzten Begegnung Illusionen benutzt habe, wenngleich ich kaum eine Verbesserung im Sinn
Weitere Kostenlose Bücher