Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
Zoll des Weges könnte etwas schiefgehen. Eine Welle könnte plötzlich unter dir ersterben, auch wenn sie rechts oder links an dir vorbeischießt. Wenn du nicht wie ein Wirbelwind paddelst, bleibst du zurück. Eine üble Welle könnte dich gegen einen Felsen schmettern oder ans Ufer schleudern. Eine in sich zusammenbrechende Welle könnte so groß und das Wasser so aufgewühlt werden, dass es ist, als wärst du am Grund eines Wasserfalls gefangen. Die Welle hinter dir könnte plötzlich nach vorn drängen, um sich mit der zu verbinden, auf der du gerade reitest, was sich ungefähr so anfühlt, als würde ein Ungeheuer dich ohne Vorwarnung von hinten angreifen. Um mit all diesen Dingen Stunde um Stunde klarzukommen, braucht man die Stärke eines Mannes, die Muskeln eines Mannes, die Kraft eines Mannes. Oh, ich zweifle nicht daran, dass eine Gezeitenreiterin bei guten Bedingungen mit einer Welle klarkommen könnte. Aber sie dann fünf Stunden zu reiten und mit dem Wasser zu kämpfen…« Ich stand auf, zog meine Jacke aus und rollte meinen Hemdsärmel hoch. » Welche Frau will solche Muskeln haben?« Plötzlich kam mir das, was ich getan hatte, sehr kindisch vor, wie etwas, das ich tun würde, um jemanden wie Cissy zu beeindrucken. Ich errötete und zog die Jacke schnell wieder an. » Tut mir leid.«
» Wieso?«, fragte sie, und in ihren Augen stand Übermut. Sie lachte über mich, genoss mein Unbehagen, machte sich über meine jugendliche Prahlerei lustig. » Ich sehe gern einen Mann mit schönen Muskeln an.«
Meine Röte vertiefte sich noch mehr, und ich sprach rasch weiter. » Auf Tenkor gibt es Frauen, die die Flutwelle reiten, wenn die Bedingungen gut sind, einfach nur aus Spaß. Einige von ihnen reiten tatsächlich auch die Wellengleiter. Aber keine von ihnen würde jemals versuchen, der Gilde beizutreten. Sie wissen, dass es ihre Kräfte übersteigt.«
» Ich möchte lernen, eine Welle zu reiten«, sagte sie. » Bei Ebbe ist es leichter als bei Flut, oder nicht? Könnte ich lernen, sie zu reiten?«
» Kannst du schwimmen?«, entgegnete ich. Die meisten Tenkoranerinnen lernten als Kinder schwimmen, und viele schwammen auch als Erwachsene noch, wenn es warm war, aber die Leute in der Nabe waren konservativer, wie ich wusste.
» Natürlich kann ich schwimmen! Ich bin nicht so dumm, dass ich nachgefragt hätte, wenn ich nicht schwimmen könnte!«
» Äh, natürlich nicht. Tut mir leid.« Sie brachte mich dazu, mich wie ein Idiot zu fühlen. Ich war ein Idiot.
» Dann gibt es keinen Grund, warum du das Wellenreiten nicht lernen könntest«, sagte ich. Die Vorstellung von Jesenda in einem Badeanzug war eindeutig beunruhigend, und ich rutschte unbehaglich auf meinem Platz hin und her. Ich beeilte mich zu sagen: » Und es ist sicher eine gute Idee, erst mal bei Ebbe zu beginnen. Diese Welle ist glatter und besser unter Kontrolle.«
» Ich brauche einen Gleiter.«
» Mit was für einem würdest du gern lernen? Einem Wellengleiter?«
» Ja.«
» Ich werde dir einen in Tenkor anfertigen lassen…« Ich musste nicht über ihr Gewicht oder ihre Größe nachdenken. Ich hatte all das bereits in meinem Kopf gespeichert.
» Wirst du mir beibringen, wie man ihn benutzt?«, fragte sie.
Ich weiß nicht, warum mich die Frage überraschte– Jesenda hatte ganz offensichtlich darauf hingearbeitet–, aber so war es. Die Vorstellung, sie wiederzusehen, und Zeit mit ihr im Wasser zu verbringen, war überwältigend.
Bevor ich ein atemloses » Ja, natürlich« hervorstoßen konnte, fügte sie hinzu: » Eines möchte ich allerdings vorher noch klarstellen.«
Ich hielt den Atem an. Ich hatte eine gewisse Ahnung, dass mir nicht gefallen würde, was jetzt kam.
» Ich weiß über dich Bescheid, Elarn Jaydon. Du hast hier Mädchen und du hast welche in Tenkor. Du holst sie dir ins Bett und lässt sie dann wieder fallen. Nun, ich bin nicht interessiert daran, eine von ihnen zu sein– niemals. Ich möchte lernen, wie man wellenreitet. Das ist alles. Wenn du also jemals etwas anderes bei mir probierst, sorge ich dafür, dass du dir wünschen wirst, niemals geboren worden zu sein. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Sie war ruhig und erschreckend selbstbewusst, als hätte sie die Mittel, ihre Drohung gleich an Ort und Stelle wahrzumachen. Und ich war noch nie zuvor einem Mädchen in meinem Alter begegnet, das in der Lage war, offensichtlich über alles zu reden, egal wie peinlich es auch war. Ich wollte schon fast eine kluge
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