Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
ohne Erlaubnis ein, aber ihre glatten Gesichtszüge ließen keinerlei Hinweis darauf erkennen. » Ja?«, fragte sie. Ich glaube nicht, dass sie sich vorstellen konnte, ich würde etwas richtig Kühnes tun.
Ich schloss die Tür hinter mir und stand– ein bisschen zu lange– einfach nur stumm da.
Sie runzelte leicht die Stirn. » Ist irgendwas nicht in Ordnung?«
Ich wusste, dass ich sprechen musste. Ich wusste, dass ich nur eine Chance hatte. Ich formte das Wort und zwang es heraus. Es raubte mir fast die Fassung, als ich es mit der vollen, tiefen Stimme eines Mannes in der Stille erklingen hörte. » Flamme…«
In diesem Moment veränderte sich alles. Ihr kalter Blick, ihre gelassene Haltung, ihre grausame Gleichgültigkeit– all das schmolz weg, als wäre es nie dagewesen. Sie war einfach nur Flamme. Und sie erkannte mich.
» Ruarth?« Nicht mehr als ein ungläubiges Flüstern. » Du bist Ruarth?«
Ich nickte.
Was ich dann sah, war mehr, als ich ertragen konnte. Da war ein kurzlebiger Funke ursprünglicher Freude. Die Dunkelmagie, die versuchte, sich wieder Platz zu verschaffen und zu herrschen. Die Flamme, die sie einst gewesen war, die dagegen ankämpfte und triumphierte. Aber hinter der Verzweiflung und der Liebe in ihrem Blick konnte ich die Grausamkeit ihrer Zukunft erkennen, die darauf wartete, wieder von ihr Besitz zu ergreifen.
Ich wollte etwas sagen, aber ich hatte die Worte dafür noch nicht. Also pfiff ich. Es schien mir natürlicher zu sein, leichter für diesen verworrenen Mund, den ich jetzt hatte. Ich pfiff die Worte in der Sprache der Dunstigen, und mit meinem Körper gestikulierte ich in der Zeichensprache meines Volkes. Es kümmerte mich nicht, dass ich dabei lächerlich aussehen musste, wie eine Witzfigur. Nichts war jetzt wichtig, außer, dass ich mit ihr sprach.
Du kannst dagegen ankämpfen. Morthred hat keine Kontrolle mehr über dich. Nur du selbst bist es jetzt noch, Flamme. Der Mistkerl ist tot. Du kannst gewinnen.
Sie schien mich zu verstehen. Ich machte einen Schritt näher auf sie zu, um sie zu berühren, ich wollte so gern ihre Haare und ihre Haut putzen. Mit meinem Schnabel an ihrer Wange knabbern…
» Ich dachte, du bist tot«, stammelte sie. » Ich habe gesehen, wie die Dunstigen vom Himmel gefallen sind, auf den Docks. Ich dachte, du wärst dabei gewesen…« Tränen liefen ihr über die Wangen. Ich trat jetzt sogar noch einen Schritt näher, wollte meine Arme in der Geste der Menschen um sie legen, aber sie hielt ihre Hand hoch, um mich davon abzuhalten. » Nein. Das darf nicht sein.«
Ich sah, wie sie kämpfte. Sie keuchte vor Anstrengung, die Dunkelmagie in Schach zu halten. Den überwältigenden Ansturm fernzuhalten. Sie flüsterte, als könnte sie die Dunkelmagie dadurch daran hindern, mitzuhören. » Ruarth, du musst mich töten. Gott weiß, ich habe versucht, es selbst zu tun, aber er lässt mich nicht…«
Er ist tot, Flamme. Er kann dir nichts mehr tun!
Sie schüttelte den Kopf, und in dieser Bewegung lag ein Kummer, der so herzzerreißend war, dass ich schwieg. Ich wusste jetzt, dass da noch mehr war, etwas noch Schrecklicheres, das ich wissen musste. Und mit dem ich würde leben müssen. Ich dachte einen Moment, dass ich vor Entsetzen ersticken würde, noch ehe sie die Worte sprach. » Nicht Morthred«, sagte sie. » Diesmal nicht. Sein Sohn. Ruarth, du musst mich töten. Ich hatte alle Hoffnung aufgegeben, dass es irgendjemanden geben könnte, der mir helfen würde. Er lässt es mich nicht selbst tun… ich habe es versucht. So oft habe ich es versucht. Aber du kannst es tun. Im Namen der Liebe, die du für mich empfindest, tu es.«
Ich verstand das nicht. Ich machte noch einen weiteren Schritt auf sie zu, aber sie zog sich eilig zurück. » Nein! Nur so kann ich ihn in Schach halten. Wenn du mich berührst… Bei den Gebeinen, Ruarth, du musst dem hier ein Ende machen! Wenn du mich je geliebt hast, wenn du mich auch nur ein kleines bisschen geliebt hast, musst du es jetzt beenden! Wie kannst du es ertragen, mich als Dunkelmagierin zu erleben?« Selbst in diesem Moment hatte ich das Gefühl, als könnte ich eine Spur von Lyssals Hass unter ihrer Qual hören.
Sie arbeiten alle daran, dich zu retten, Flamme. Glut, Thor, Gilfeder … du darfst die Hoffnung nicht aufgeben.
Sie flüsterte eine Antwort, so leise, dass ich sie angesichts der Geräusche von Wind und Wellen und der knarrenden Balken und Planken kaum verstehen konnte. » Ich schaffe es nicht,
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