Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
beiden war für alle spürbar, für mich mehr als für alle anderen. Für mich hatte sie auch noch eine persönliche Bedeutung, denn ich teilte diese Verbindung. Sicher, sie war nicht mehr so scharf umgrenzt wie zu der Zeit, als ich ein Vogel gewesen war, aber sie existierte dennoch.
Issuntare erhob sich abrupt. » Gott wird Euch strafen«, sagte sie zu Ikaan. Ihre Stimme klang rau vor Abscheu. » Es kann kein größeres Verbrechen geben als das gegenüber einem Kind.« Ihr Blick schweifte über die sitzenden Höflinge und blieb beim Basteiherrn hängen. » Gibt es niemanden unter Euch, der Manns oder Frau genug ist, sich gegen diesen Perversen und seine verdorbene Seele zu erheben?«
Der Junge auf Ikaans Schoß sah sie mit furchterfülltem Blick an.
Der Basteiherr wölbte eine Braue. » Ihr segelt nah am Wind. Passt nur auf, Matriarchin.« Wenn ich ihn nicht schon zuvor gefürchtet hätte, dann spätestens jetzt. In seiner Stimme lag die gefährliche Zuversichtlichkeit eines Mannes, der kein Problem damit hatte, seine Drohungen wahr zu machen.
Sie starrten einander an, dann senkte sie den Blick und verneigte sich leicht. Das Zentrum der Macht des Menoden-Patriarchats befand sich weit weg von Breth. » Ich fühle mich nicht wohl, mein Herr«, sagte sie ruhig. » Ich bitte um Erlaubnis, mich zurückzuziehen.«
Er lächelte, und einen Moment lang dachte ich, er würde darauf bestehen, dass sie bliebe. Dann winkte er sie weg. » Hinweg, schafft Euer mürrisches Gesicht woandershin. So etwas brauchen wir hier nicht. Heute Abend wird gefeiert.« Er hob sein Glas und sah Lyssal dabei an.
Issuntare neigte den Kopf und verließ das Zimmer. Ich nutzte die Gelegenheit, als einige Bedienstete hinter mir aus der Küche kamen und wieder dorthin zurückgingen, um ebenfalls zu verschwinden, und folgte ihr. Allerdings ging sie nicht in ihre Gemächer, sondern stieg zu den Straßen weiter unten ab. Um diese Uhrzeit waren nicht mehr viele Leute unterwegs. Sie ging nicht so forsch, wie ein Mensch mit einem Ziel es getan hätte, aber sie war aufgeregt. Tatsächlich folgte sie der Straße etwa fünf Minuten, blieb dann plötzlich stehen und lehnte sich an eine Granitbalustrade, von der aus man einen Blick auf die Bucht hatte. Ich stellte mich neben sie.
Sie rührte sich nicht, und sie sah mich auch nicht an. Das musste sie allerdings auch gar nicht; wahrscheinlich hatte sie gespürt, dass ihr ein Wissender folgte, seit wir den Bankettsaal verlassen hatten.
» Ihr werdet feststellen, dass es nicht leicht ist, an diesem Hof zu leben, Syr-Wissender«, sagte sie schließlich.
» Ja«, stimmte ich ihr auf meine kehlige, unbeholfene Weise zu. » Das denke ich auch. Ich merke es bereits.«
Erst jetzt wandte sie mir das Gesicht zu. » Oh«, sagte sie. » Ihr seid also wirklich ein Wissender. Ich war mir nicht ganz sicher. Ich dachte, ich hätte etwas gespürt… und dann auch wieder nicht. Da ist etwas sehr Seltsames an Eurem Weißbewusstsein, junger Mann.«
Ich antwortete nicht.
» Eure Herrin ist nicht das Burgfräulein. Und Ihr sprecht, obwohl man mir gesagt hat, dass Ihr nicht sprechen würdet. Wer seid Ihr? Wer seid Ihr beide?«
Ich blickte auf den Bottich hinaus und atmete die frische Salzluft ein, in der nur ein schwacher Hauch des Öls hing, das in den kleinen Lampen in den Mauernischen entlang der Straße brannte. Es war ein angenehmer Geruch nach all dem Gestank der spirituellen Verderbtheit an Rolass Trigaans Hof an diesem Abend.
Issuntare ließ nicht locker. » Also, worum geht’s, Syr-Wissender? Und versucht nicht, mir irgendwelche Lügen aufzutischen. Ich habe genug Unwahrheiten in dieser Senkgrube der Verdorbenheit gehört, um eine Lüge schon zwei Tage im Voraus erkennen zu können. Bei den Tätowierungen dieser Frau handelt es sich um Silbillusionen. Genauso wie bei Eurer Ohrtätowierung.«
» Lyssal ist das Burgfräulein«, sagte ich. » Ich kenne sie, seit ich flügge war. Sie wollte nur einfach keine dieser Tätowierungen haben, mit der man ihre Reife bestätigte. Also hat sie sie vorgetäuscht. Es war schlau von Euch, dass Ihr sie erkannt habt; sie hat sich viel Mühe gegeben zu verbergen, dass sie Silbmagie angewandt hat. Ich hoffe, Ikaan kommt nicht zu dem gleichen Schluss.«
Sie schnaubte. » Der? Der denkt nur an seine Jungen.« Sie hielt jetzt inne und gab sich neutral. » Ihr seid ein, äh, Flagellant?«
Ich seufzte. Meine Aussprache war also offensichtlich immer noch ziemlich unklar. » Flügge! Tut
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