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Die Inselvogtin

Die Inselvogtin

Titel: Die Inselvogtin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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vielleicht seine Scheu überwinden.
    »Mach schon!«
    »Nicht, wenn du mir nicht sagst, was das soll. Willst du mich hinterher beim Pfaffen anschwärzen?«
    Wenn dieser Junge wirklich so schwer von Begriff war, dann musste Weert eben andere Saiten aufziehen. Und er wusste, wo Rudgers wunde Stelle war.
    »Stimmt es, was man sich erzählt? Dass deine Mutter eine fette Seekuh gewesen ist und gar nicht genau wusste, wer von den verlausten Kerlen, die sie in ihrem Bett hatte, dein Vater ist?«
    Rudger schnappte nach Luft. Seine Gesichtshaut glich immer mehr seinem roten Haar.»Wer behauptet das?«
    »Alle sagen es. Sie war eine Hure, stimmt’s? Und sie hat die Matrosen, die bei ihr gelegen haben, beim Saufen noch locker abgehängt … «
    »Du willst also unbedingt, dass ich dich verprügle, du Inselwilder?« Rudgers Bewegungen wurden hektischer. Er blickte nach links und rechts, wischte sich über den Mund und scharrte mit dem Fuß im Sand.»Sind wir nicht Freunde?«
    »Ich will mit keinem Hurensohn befreundet sein!«
    Rudger holte aus. Verglichen mit den Schlägen, die er sonst austeilte, war der Hieb zaghaft gewesen. Doch als seine geballte Faust auf Weerts Schläfe traf, war der Schmerz schon ganz schön beachtlich. Weert taumelte.
    »Entschuldige … «, murmelte Rudger.
    »Mehr sitzt nicht drin, du Schlappschwanz?«
    »Wie nennst du mich?« Rudger packte ihn am Kragen.
    Das war gut, dachte Weert, sie waren auf dem richtigen Weg. Es kam nur darauf an, dass niemand sie beobachtete. Also musste es schnell gehen.
    »Wie gut kennst du denn deine fette Mutter? In- und auswendig, so wie die meisten?«
    Der zweite Fausthieb traf Weert unvermutet auf den Mund. Verflucht, er hatte nicht richtig aufgepasst. Sofort schmeckte er das warme Blut auf seiner Zunge, und das Harte vorn zwischen seinen Lippen war ein Zahn.
    Weder schlug Rudger zu, aber diesmal konnte Weert ausweichen. Doch die Hand, mit der er am Kragen gehalten wurde, riss sein Hemd ein. Er hatte sich wohlweislich eines der schäbigsten ausgesucht. Als er nach unten blickte, besudelte er den beachtlichen Riss mit seinem Blut.
    »Gut, es reicht!«, rief er.
    Aber Rudger war zu wütend. Er hob seinen Fuß und trat Weert mit dem Stiefel zwischen die Beine. Die Sohle hinterließ einen schmutzigen Abdruck.
    »Es ist gut jetzt! Rudger, hör auf!« Weert streckte einen Arm aus und fing Rudgers nächsten Schlag ab. Vielleicht war Rudger der Stärkere von ihnen beiden, aber Weert vermochte seine Kräfte gezielt einzusetzen und konnte mit kleinen, gemeinen Bewegungen so ziemlich jeden außer Gefecht setzen. Ein paar Knochen knackten, und Rudger jaulte kurz auf.
    »Verdammt, bist du verrückt geworden, Weert Switterts? Erst zwingst du mich, dir eine reinzuhauen, dann zerquetschst du meinen Arm. Und schau dich mal an! Du siehst fürchterlich aus.«
    Weert wandte sich zu einem der Fenster, in dessen Scheibe er sein verzerrtes Spiegelbild sehen konnte. Ein oberer Schneidezahn war herausgebrochen, und die Wunde blutete fürchterlich. Die Augenbraue, die Rudgers erster Schlag getroffen hatte, war auf die doppelte Größe angeschwollen. Der Stoff seines Hemdes war bis unter die Brust eingerissen und färbte sich Tropfen für Tropfen dunkelrot.
    »Man könnte meinen, eine Horde Räuber hätte dich überfallen «, brachte Rudger heraus. Gerade wollte er seinen Hemdzipfel zücken, um die Blutung aufzuhalten, doch Weert wich zurück.
    »Nein, lass das. Du musst jetzt hineinrennen und um Hilfe schreien!«
    »Wie bitte?«
    »Erzähl ihnen, wir seien überfallen worden.«
    »Aber … das war doch ich! Und der Fürstensohn … er ist doch gerade bei Tisch und … «
    »Stammel nicht so rum, sondern ruf nach den Leuten!
    Wenn mein Plan aufgeht, werden wir beide heute Abend die Helden des Tages sein.«
    »Aber was soll ich ihnen denn sagen, wenn sie Fragen stellen?«
    »Gib dich einfach noch blöder, als du ohnehin bist. Alles andere regle ich. Kapiert?«
    Rudger nickte plump, zögerte kurz und lief dann ins Haus. Kurz darauf hörte Weert tumultartiges Geschrei.
    Er grinste, auch wenn sein Kiefer dabei höllisch schmerzte. Dann legte er sich auf den Boden, wälzte sich ein paarmal im Staub und blieb liegen.
    Jetzt könnte er noch ein paar Tränen gebrauchen.
    Aber Tränen fand Weert Switterts wie immer keine.

10
    B is zu dem Zeitpunkt, an dem die hintere Tür aufgerissen wurde und Rudger hereingestolpert kam, war es ein schöner Tag gewesen im Speisesaal. So viel Spaß hatte Maikea seit ihrer

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