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Die Inselvogtin

Die Inselvogtin

Titel: Die Inselvogtin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Ankunft vor vier Monaten nicht gehabt. Doch nun starrten alle auf den Jungen, der völlig außer sich war, sodass man ihn kaum verstehen konnte. Er schien jeden Moment zusammenzubrechen.
    Der Pastor sprang auf und eilte ihm entgegen.»Meine Güte, was ist los?«, fragte er und griff Rudger in den Nacken.
    »Es ist … es waren … «
    »Wo kommst du überhaupt her? Wer hat dir erlaubt, den Speisesaal zu verlassen?«
    »Sie haben Weert Switterts … Blut und Schläge und … « Der Rest ging im Keuchen unter.
    »Wer hat was?« Nun schien auch Pastor Bilstein bemerkt zu haben, dass es hier um etwas anderes ging als das unerlaubte Verlassen des Speisesaals. Rudger zeigte nur Richtung Hof, dann fiel er schluchzend auf die Knie.
    Die mitgereisten Soldaten waren die Ersten, die Rudgers Fingerzeig folgten. Auch der Pastor und ein paar Küchenangestellte rannten aus dem Raum. Die stille Helene war kreidebleich geworden und hatte sich in die hinterste Ecke verkrochen.
    Maikea konnte nicht länger hier auf ihrem Platz sitzen bleiben, sie musste einfach wissen, was geschehen war. Sie sprang auf und hastete durch den Flur in den Hinterhof. Es war furchtbar:
    Der große, starke, immer so unerschütterlich wirkende Weert Switterts lag im Dreck und blutete so heftig am Kopf, dass sich rings um sein aufgequollenes Gesicht bereits eine kleine rote Pfütze gebildet hatte. In seinem aufgerissenen Mund klaffte eine hässliche Zahnlücke. Er schrie nicht, sondern stöhnte fast tonlos, was in Maikeas Ohren noch viel unerträglicher klang.
    Um ihn herum standen drei Soldaten, die wild auf ihn einredeten.
    Maikea wollte gerade näher treten, als Jantje neben ihr auftauchte. Auch sie konnte ihre Aufregung nicht verbergen. Mit ihrer rechten Hand hielt sie jemanden fest.
    »Ich kann nicht hinschauen. Ich mag kein Blut sehen «, flüsterte der Thronfolger.
    Ganz eng stand er bei ihr und verbarg sein Gesicht hinter ihrer Schulter.
    Maikea übersah nicht, dass Jantje seine Hand fester drückte.
    »Es war … « Trotz seiner Schmerzen begann Weert plötzlich zu stammeln.»Es war eine Horde wild gewordener Räuber!«
    »Hier in unserem Innenhof? Ich bitte dich, Weert Switterts, was sollten sie hier stehlen?« Pastor Bilstein war absolut überfordert. Man sah ihm an, dass er nicht wusste, ob er helfen, schimpfen, beten oder besser davonlaufen sollte.
    Weert hustete und spuckte auf die Erde. Der Blutstrom schien zum Glück zu versiegen.»Es waren fünf Männer. Sie waren hier im Hof. Ich glaube, sie wollten gerade hinein … «
    Einer der Soldaten mischte sich nun ins Gespräch:»Junge, hast du sie erkannt?«
    »Ich? … Ja, ich glaube schon.«
    »Wie sahen sie aus?«
    »Einer könnte der Straßenkehrer gewesen sein. Dieser krumme alte Mann, der … mit dem Besen … « Er stöhnte wieder und fasste sich an das geschwollene Augenlid.
    »Härmen Hinrichs … natürlich!«, rief einer der Wachmänner.»Der saß mehrfach wegen Rebellion im Gefängnis.«
    »Bist du dir sicher?«, hakte der Pastor nach und sah Weert eindringlich an.
    »Ja, ich habe ihn schon oft gesehen. Wenn ich für Euch die Botendienste mache, Pastor. Da bin ich dem Straßenkehrer oft begegnet.«
    Die Soldaten wurden ungeduldig, aufgeregt sprachen sie miteinander und wandten sich wieder an Weert.»Und sonst noch ein bekanntes Gesicht, Junge? Irgendetwas Auffälliges?«
    »Die Küchenhilfe, dieses dünne Mädchen … Sie hat der Truppe das Tor geöffnet!«
    Helene? Das konnte nicht wahr sein, dachte Maikea.
    Sie hatte die junge Frau gerade eben noch im Speisesaal gesehen. Nie im Leben könnte sie so schnell wieder hineingekommen sein, ohne dass es aufgefallen wäre.
    »Alles ging so schrecklich schnell … «, jammerte Weert und versuchte sich aufzurichten. Aber er knickte mit den Knien ein, und seine Schultern zuckten, als würde er von einem Weinkrampf geschüttelt. Aber er weinte nicht wirklich, sein Gesicht blieb staubig. Maikea registrierte außerdem, dass er mehrfach zu Rudger hinüberschaute. In diesem Blick war etwas Seltsames auszumachen. Etwas Verschwörerisches.
    Endlich endete sein merkwürdiger, trockener Weinkrampf, und Weert richtete sich wieder auf.
    »Ich bin mir nicht sicher … oder vielleicht war er es doch. Aber das Auge, wisst Ihr, es tut so furchtbar weh.«
    »Komm zur Sache, Junge. Was hast du gesehen?«
    »Einer von den Räubern trug weiße Kleidung, von oben bis unten. Er hatte schneeweißes Haar und einen Blick, der schon allein hätte töten

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