Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Inselvogtin

Die Inselvogtin

Titel: Die Inselvogtin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
Vom Netzwerk:
lediglich verspätet. Gleich würde sie die Straße entlangkommen, nach ihm Ausschau halten und ihm dann im Vorübergehen zuflüstern, wann die Abreise der fürstlichen Kutsche angedacht war. Und wenn das fürstliche Gefährt schließlich auftauchte, würde er sich unauffällig zum Kutscher gesellen und auf dessen Wagen springen. Der Hitzkopf sollte sich unterdessen einen der angeleinten Gäule schnappen und eilig davonreiten. Die Stadtwache war stets hinter Pferdedieben her, sie würden sich also ablenken lassen und die Verschwörer nicht bemerken. Der Hitzkopf war ein geübter Reiter, sie würden ihn wohl kaum einholen können. Und in der Zwischenzeit hätten der Weiße Knecht und der Kutscher bereits hinter einer kleinen Baumreihe Stellung bezogen.
    Der Plan musste einfach funktionieren. Sie durften nur nicht zu früh und nicht zu spät mit ihrem Ablenkungsmanöver beginnen. Davon hing alles ab.
    Die ausgewechselten Wachen hatten sich nun links und rechts des Stadttors postiert. Der Weiße Knecht betrachtete sie genauer. Täuschte er sich, oder schauten sie aufmerksamer als sonst? Waren es andere Männer als die, die normalerweise um diese Zeit Reisende ins Visier nahmen? Vielleicht war er aber auch einfach nur besonders angespannt. Den einzigen Sohn eines Fürsten entführen zu wollen war ein riskanter Plan, der sie alle den Kopf kosten konnte.
    Endlich tauchte sie auf. Sie musste gerannt sein. Aus der Entfernung konnte er erkennen, dass sich ihr Haar gelöst hatte und auf der verschwitzten Stirn klebte. Sie hatte ihr grünes Kleid und die Schürze zum Rennen nach oben gerafft und gab sich keine Mühe, sich unauffällig zu benehmen, sondern gestikulierte wild in seine Richtung. Was wollte sie ihm sagen? Sie zeigte zurück, schüttelte den Kopf, bewegte den Mund, aber er konnte ihre Botschaft nicht von den Lippen ablesen. Zwischen ihnen lag eine Distanz von mindestens fünfzig Ruten. Doch als sein Blick ihrem Fingerzeig schließlich folgte, verstand er, was sie meinte: Die fürstliche Kutsche rollte bereits heran. Das Gefährt näherte sich dem Stadttor in einer halsbrecherischen Geschwindigkeit, normalerweise durften die Pferde nur im Schritt durch die Stadt gelenkt werden. Doch die beiden fürstlichen Rappen zogen ihre Last in einem raschen Trab. Einige Händler mussten gar zur Seite springen, um nicht überrollt zu werden. Sie fluchten dem Wagen hinterher, doch der Kutscher war lauter.
    »Aus dem Weg!«, rief er.»Macht Platz für den Fürstensohn!« Er stand auf dem Bock und hatte eine Peitsche in der Hand. Es war klar, sobald die Kutsche das Tor passiert hatte, würde er die Gäule in den Galopp treiben.
    Der Weiße Knecht blickte sich um. War ihr Plan verraten worden? Weiter hinten sah er, wie zwei Soldaten eine Frau davonschleppten. Sie trug ein grünes Gewand und eine graue Schürze.
    »Verdammt «, fluchte er. Wohin brachte man sie? Das durfte nicht sein. Es würde keine andere Gelegenheit geben als heute. Denn wenn das Fürstenhaus – woher auch immer – von der geplanten Entführung des Nachfolgers wusste, dann wäre dies mit Sicherheit der letzte Ausflug des Stammhalters für lange Zeit. Also mussten sie die Sache durchziehen, komme was wolle. Aber sie würden ihre Vorgehensweise ändern müssen. Für den ursprünglichen Plan fehlte die Zeit.
    Der Weiße Knecht riss den Arm hoch und signalisierte seinem Kutscher, dass er sich ohne ihn aufmachen sollte. Der Mann reagierte sofort, sprang auf den Wagen und trieb seine Pferde an. Im gemäßigten Trab, ganz unauffäl-lig. Der Weiße Knecht rannte zum Pferdegatter hinüber. Der Hitzkopf blickte ihn wild entschlossen an, und es war dem heißblütigen Mann anzusehen, dass er am liebsten sofort zu seinem versteckten Messer gegriffen hätte.
    »Bleib ruhig, Junge «, mahnte der Weiße Knecht.»Pass auf und mach genau, was ich sage. Hast du dir die Pferde hier angesehen?«
    Er nickte.
    »Welche beiden sind die besten?«
    »Wir nehmen zwei Gäule?«
    »Frag nicht lang!«
    »Der Apfelschimmel und der schwarze Friese, denke ich. Jung, wildes Temperament, die Muskeln sitzen an der richtigen Stelle. Zudem: Die Besitzer sahen edel aus. Das Zaumzeug ist von bester Qualität. Wäre ich ein Dieb, ich würde die beiden … «
    »Jetzt bist du einer! Also, nichts wie los!« Der Weiße Knecht zog sein Messer hervor und schnitt das Seil durch, mit dem der Rappe angeleint war.
    Der Schimmel schien ein ähnliches Naturell wie der Hitzkopf zu haben, denn das Tier warf den Kopf

Weitere Kostenlose Bücher