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Die Inselvogtin

Die Inselvogtin

Titel: Die Inselvogtin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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dem Handrücken, die Muskeln seiner Schultern. Das war verwirrend.
    Als habe er ihre Gedanken erraten, rückte der Weiße Knecht ein Stück von ihr ab.
    Maikea räusperte sich.»Wisst Ihr, ich glaube, ich hatte diesen Traum nur, weil mein Vater Inselvogt gewesen ist. Ich habe ihn nie kennengelernt und doch immer bewundert. Und ich dachte, wenn ich dasselbe mache wie er, dann kann ich ihm irgendwie nahe sein.«
    »Das war wirklich der einzige Grund für deinen Traum?« Er schaute sie von der Seite auffordernd an, sein Blick war mehr als skeptisch.
    »Jedenfalls finde ich jetzt keinen richtigen Grund mehr, meine Ziele zu verfolgen. Es ist vorbei.« Sie seufzte.»Denn seit ich das abgebrannte Haus gesehen habe … «
    »Du resignierst? Das passt nicht zu dem Mädchen, das ich kennengelernt habe.«
    Er schien es ernst zu meinen, und Maikea merkte, dass es ihr leichter fiel, mit seinem Spott zurechtzukommen. Fast wünschte sie sich, er würde wieder grinsen und sagen, das wäre nur ein Spaß gewesen. Doch stattdessen fügte er hinzu:»Ich denke, du würdest dieser Aufgabe sehr wohl gewachsen sein.«
    »Wie kommt Ihr darauf?«
    »Du bist mutig, du bist klug, und du liebst deine Heimat mehr als alles andere. So sollte ein Inselvogt sein, egal, ob es ein Mann oder eine Frau ist.«
    Maikea spürte, wie sie errötete.»Seid Ihr schon mal einem Inselvogt begegnet?«
    »Ja, das bin ich. Aber es ist lange her.«
    »Und? War er wie mein Vater? Mutig? Ehrenhaft? Ein Mann, auf den die Insulaner gern hörten?« Ihr Herz schlug schneller.
    Doch der Weiße Knecht schaute eine Weile nur geradeaus aufs Meer, dann schüttelte er den Kopf.»Der Inselvogt, den ich kannte, war feige und dumm. Als er seine Heimat hätte retten können, war ihm sein eigenes Wohlergehen wichtiger.«
    »Was ist geschehen?«
    »Ach … « Der Weiße Knecht schien zu bereuen, dass er das Gespräch so weit hatte kommen lassen, anders konnte sich Maikea sein Zögern nicht erklären. Er legte sich die Worte mit besonderer Sorgfalt zurecht.»Nun, er hat Schiffbrüchigen die Hilfe verwehrt, weil er Angst hatte, sein eigenes Leben zu riskieren.«
    Er schwieg, doch als er merkte, dass Maikea noch nicht zufrieden war mit seiner Erklärung, fügte er hinzu:»Aber seine Feigheit hat er mit dem Leben bezahlt. Er hat in demselben Sturm, der den Seeleuten zum Verhängnis wurde, den eigenen Tod gefunden.«
    »Warum haben die anderen Insulaner die Schiffbrüchigen nicht gerettet?«
    »Er war nicht der einzige Feigling. Und nicht der einzige Tote in dieser Nacht.«
    »Und Ihr? Was habt Ihr getan?«
    »Ich konnte nichts tun. Ich war damals noch ein Kind.«
    »Wann ist das alles geschehen? Und wo?«
    Er blickte sie lange an, sagte aber nichts. Maikea fielen wieder die wirren Worte von Helene ein. Dass der Weiße Knecht es hasste, nach seiner Vergangenheit gefragt zu werden. Sie ahnte, er würde ihr die Antwort schuldig bleiben.
    »Vielleicht war der Tod des feigen Inselvogtes so etwas wie eine Strafe Gottes «, gab Maikea daher zu bedenken, obwohl sie wusste, dass der Weiße Knecht kein frommer Mann war.
    »Das könnte durchaus so gewesen sein.«
    »Wisst Ihr den Namen des Vogtes?«
    Der Weiße Knecht atmete tief ein und aus, schaute in die Ferne, in der es eigentlich nichts zu entdecken gab, und rieb die Handflächen aneinander.
    »Als ich dich hier liegen sah, dachte ich, du wartest auf das erste Schiff nach Juist. Willst du zurück?«
    Der rasche Themenwechsel verwirrte Maikea. Doch sie hakte nicht weiter nach.»Ich würde es gern, aber ich kann noch nicht. Es ist, als hielte mich etwas davon ab.«
    »Aber du kannst auf keinen Fall an meiner Seite kämpfen.«
    »Ich bin mutig, klug und liebe meine Heimat. Das habt Ihr selbst gesagt! Warum also sollte ich nicht gegen das Unrecht kämpfen dürfen, das man Josef Herz und so vielen anderen angetan hat? Ich habe ihn verehrt, er hat mir so vieles beigebracht. Doch sie haben einfach sein Haus in Brand gesetzt und ihn getötet. Einen alten, freundlichen Mann! Auch, was die Soldaten damals mit Helene getan haben, ist furchtbar. So etwas darf nicht wieder geschehen! Ich will dabei sein, wenn Ihr Euch gegen solche Menschen wehrt!«
    »Aber es ist nicht die Front, an der du kämpfen solltest, Maikea.« Er legte seine Hand auf ihre Schulter wie ein Lehrer, der einem etwas besonders Wichtiges beibringen will. Und doch fühlte sich die Berührung anders an als bei Pastor Altmann oder Josef Herz. Sie förderte nicht die Konzentration, im

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