Die Inszenierung (German Edition)
Bett. Zöge sich direkt vor seinen Augen an. Nur in der Nasszelle könnte man sich verbergen. Aber bei geschlossenen Vorhängen ist man wirklich bei sich. Man muss an keinem Portier vorbei. Man hat bezahlt. Jeden Tag gegen elf kommt die Schwarze, die das Zimmer machen will. Das könnte man auch noch abbestellen. Aber so lange kann man ja zu Smiley’s fahren. Irgendwas Totes zum Frühstück. Es gibt keine Orangen oder so was. Dafür 24 Stunden: NOW OPEN. Etwas zu Tode Paniertes ist immer da. Ein Kaffee so flau wie bei der Großmutter, wenn sie sparen musste. Und die Viertelmeile mit dem Auto. Außer schwarzen Kindern geht hier niemand zu Fuß. Jimmy, mein Hotelier bzw. Motelier, hat schon am 2. Tag gesagt: No car, no being. Er hat mir einen Ford Mercury Marquis besorgt, 1800 Dollar. Mit Zulassung etc. Jimmy hat 20 Jahre army hinter sich, davon 9 Jahre in Germany. Wenn er mit etwas nicht einverstanden ist, sagt er: Quatsch, as the Germans say.
Ein Regentag im Dezember, im Motel in Chestertown, Maryland, Augustus!
No topic, no subject, nothing which you could call an issue.
Es würgt mich, als möchte etwas heraus. Aber leerer kann nichts sein als meine Seele. Der Äußerungsdrang ist phantomhaft. Weil ich dir meine Verbannung mitteilen muss (!!!), schreib ich Dir. Der neue Lamy erlaubt nur langsame Schreibbewegungen. Ich soll sorgfältig sein. Ich werde aber nervös, wenn ich den Satz längst weiß, und die Tinte kommt nicht nach.
Mit Berti bin ich täglich in Verbindung. Gefühlsroutine. Und weil Berti unter allen Umständen lustig ist. Und von mir nicht verlangt, dass ich’s auch sei. Sobald man den Hund hört, weiß man, dass das zu dieser Stille gefehlt hat. Es tropft allerdings laut im Zimmer. Aber immer neben das Bett. Und ich kann froh sein, dass ich es hierher geschafft habe. Einen liebenswürdigeren Beherberger als Jimmy gibt es nicht. Frau Dr. Susan Ferner wollte mich sofort in ihrem Haus unterbringen. Ich habe mich erfolgreich gewehrt. 14 Tage Motel, dann, wenn ich will, 14 Tage White Swan, dann, oder schon vorher, ein eigenes Backstein-Häuschen in der Riverview Road.
Es könnte doch sein, dass es genügt zu hören, wie der Regen fällt. Dumpf fällt er auf und rinnt dann heller weg.
Ich habe einen Job. Am Smith College. Und soll immer dazu sagen, dass es nicht das berühmte Smith College in Northampton, MA, ist, sondern eben das ganz unberühmte in Maryland. Mir fällt die Wahrheit leicht genug. Ich bin nicht mehr so lebendig, dass ich noch lügen könnte. Dem Schwachen bleibt nur die Wahrheit. Dass es mit Ursula nicht mehr ging, hab ich Dir noch gefunkt. Wie, lieber Augustus, und wann führst Du das auf? Im Klübbche war einer, der mich verriet. Egal, wer es war. Er hat es geschafft. Ich war also selten im Schach-Club, fast immer im Schwulen-Treff. So nannte Ursula dann das Klübbche. Berti und ich waren dort ein Paar, von mir als Alcibiades und Sokrates annonciert, dort aber durch den Physiker da Vinci Mr. Konvex und Mr. Konkav genannt. Dass ich konkav bin, stimmt ja. Und Berti zelebriert seine Rundlichkeit immer mit Genuss. Und das alles erreicht endlich sein Ziel: Ursula! Augustus, das ist Weltgeschichte. Wie gesagt, ich bin zum Leugnen längst zu schwach. Das Entweder-Oder-Theater. Tag und Nacht. Du kannst nur EINER Herrin dienen! Die Leute lachen schon über uns! Und so weiter. Tatsächlich habe ich es, wie die Juden sagen würden, einem von unsere Leit zu verdanken, dass ich zur Skandalvermeidung schnell expediert wurde. Bis nach Chestertown. Meine Töchter brennen Feuerwerke der Verachtung ab. Ursula zelebriert die Betrogene und gibt sich endgültig geschieden. Vorher nie etwas gemerkt. 24 Jahre lang hat ihr nichts gefehlt! 24 Jahre sozusagen glückliche Ehe! Ein rundherum beneidetes Paar! Ich habe das Doppelleben aus Liebe geleistet. Was mich das gekostet hat. Lebenskraft. Seelenkraft. Jede Sekunde gespalten. Unfrieden durch und durch. Nie ganz, wo du jeweils warst. Und jetzt: ein entlarvter Betrüger.
Die Ehe bleibt, was sie immer war: das Kunstwerk der Verheimlichung.
Ich war zu wenig Künstler! Also entlarvbar!
Berti kommt nach. Das habe ich erreicht. Einen Porsche-Ingenieur aus Deutschland nimmt die hiesige Porsche-Filiale unbesehen. Ich habe vorerst einen Job als native speaker. Im nächsten Semester darf ich lehren. Sie tun sogar so, als sei ich ein Gewinn für sie. Ich habe angekündigt, dass ich das Smith College in Chestertown, Maryland, zum globalen Zentrum für die
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