Die Intrige
voller Habsucht, und wenn ich nicht eingeschritten wäre, hätten sie alles gestohlen.«
»Aber
Sie
waren derjenige, der Mörder angeheuert hat«, sagte Katherine vorwurfsvoll. »Wie viele haben Sie umbringen lassen?«
»Ein König muss Stärke zeigen«, flehte Richard. »Ich weiß, dass dies himmlischen Wesen wie Euch absonderlich erscheinen muss, aber so werden die Dinge auf Erden gehandhabt.«
»Zwei Jungen ermorden zu lassen«, sagte Katherine. »Knaben. Unschuldige Kinder.«
Tränen liefen Richard über das Gesicht.
»Dafür würde ich Abbitte leisten, wenn es nur in meiner Macht stünde«, sagte er. »Ich weiß, dass es derGrund für den Tod meines Sohnes ist. Ein Kind für ein Kind, einen Sohn für einen Sohn. Es ist nicht mehr, als ich verdiene, aber viel mehr, als mein Sohn verdient hat. Und doch … und doch …« Er hob das tränenüberströmte Gesicht zu Katherine, zum Himmel. »Ich schwöre bei der Seele meines toten Sohnes, wenn mein Neffe Eduard wieder zum Leben erweckt werden könnte, ich setzte ihm eigenhändig die Krone auf. Ich gäbe ihm alles zurück.«
Jonas zog seine Schwester am Arm.
»Katherine!«, flüsterte er. »Wir wollen hier nicht für Chip die Krone zurückholen. Wir wollen, dass er von hier verschwindet!«
»Ich weiß«, flüsterte Katherine zurück. »Aber sieh dir nur sein Gesicht an!«
Richards Antlitz war nun verzerrt von Schmerz, Kummer und Reue.
»Ich flehe Euch an«, rief er. »Schweigt bitte nicht!«
»Äh«, sagte Jonas. »Äh … wenn Sie es ehrlich meinen, gibt es sicher einen Weg, Ihre Sünden zu vergeben.«
»Und was ist das für ein Weg?«, fragte Richard erwartungsvoll. »Sagt es mir!«
Jonas versuchte sich daran zu erinnern, was er in der Kirche gehört hatte. Dann überlegte er, ob man das, was er in der Kirche gehört hatte, im Jahr 1485 aussprechen durfte, ohne die Zeit für immer zu ruinieren. War das der Grund, warum der Definator über dieFunktion »Theologische Argumente« verfügte? Hätten sie deshalb darum betteln sollen, den Definator um jeden Preis mitnehmen zu dürfen?
»Wir können Ihnen nicht alles sagen«, meinte Katherine schließlich. »Manche Dinge müssen Sie selbst herausfinden.«
Richard nickte bedächtig.
»Ich verstehe«, flüsterte er. »Ich werde nachdenken. Beten. Es ist mir wahrlich ernst.«
Jonas zog Katherine fort. Zum ersten Mal fiel ihm auf, dass der Eingang des Zeltes offen stand und von draußen einsehbar war.
»Hier entlang«, flüsterte er seiner Schwester ins Ohr.
Sie schlüpften zum Eingang hinaus, schlängelten sich an den königlichen Wachen vorbei und an Rittern und Soldaten, die auf dem Boden lagen und schliefen. Dann, unter einem hellen, sternenklaren Himmel, ließ Jonas sich gegen den dicken Stamm eines ausladenden Baumes fallen.
Katherine plumpste direkt vor seine Füße.
»Du. Lieber. Himmel«, stöhnte sie.
Jonas sah zu ihr hinunter.
»Was haben wir da gerade getan?«, stöhnte er.
Dreißig
»Vielleicht spielt es keine Rolle«, sagte Katherine.
Jonas sah seine Schwester gereizt an.
»Katherine, nach dem, was HK gesagt hat, wird Richard morgen wahrscheinlich sterben. Was ist, wenn wir gerade dafür gesorgt haben, dass er in den Himmel kommt, oder auch nicht?«
»Und wennschon«, erwiderte Katherine angriffslustig und starrte zurück. »Es wäre doch schön, wenn Richard seine Frau und seinen Sohn wiedersehen kann, oder?«
Jonas gab keine Antwort. Er legte den Kopf in den Nacken und lehnte sich an den Stamm, um zu den Sternen aufzusehen. Aber vielleicht ist das gar nicht vorgesehen. Vielleicht ist das beim ersten Mal nicht passiert, wollte er einwenden. Doch das erschien ihm zu gemein, fast herzlos. Außerdem – was wusste er schon? Er war es nicht gewöhnt, sich darüber Gedanken zu machen, wer in den Himmel kam und wer nicht. In seiner Kirchengemeinde zu Hause unterhielt man sich eher darüber, wer Spenden für die Essenstafel sammelnund wer als Freiwilliger bei den Spielen in den Bibelkursen aushelfen konnte.
»Was ist, wenn Richard morgen, bevor er stirbt, etwas anders macht?«, fragte er schließlich. »Wenn er sich, nur weil er mit uns gesprochen hat, so anders verhält, dass er gar nicht stirbt?«
»Willst du mir ein schlechtes Gewissen einreden, nur weil ich versucht habe zu helfen?«, wollte Katherine wissen. »Was sollten wir denn tun? Ihn einfach weiterweinen lassen?«
Jonas sah wieder auf seine Schwester hinab. Das Mondlicht schien durch sie hindurch. Zum ersten Mal im Leben konnte
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