Die Intrige
kannte, waren Farmer (wie mein Vater) oder Krankenschwestern (wie meine Mutter), Lehrer oder Zahnärztinnen, Hausfrauen oder Verkäufer usw. Die einzigen Autoren, von denen ich je gehört hatte, gab es, nun ja, in Büchern.
Ich wurde am 9. April 1964 geboren und wuchs auf einer Farm zwischen den Kleinstädten Washington Court House und Sabina, im Bundesstaat Ohio, auf. Wenn wir früher irgendwo Urlaub machten, sagten meine Eltern ständig Dinge wie: »Könnt ihr mal eine Minute mit dem Lesen aufhören und aus dem Fenster schauen? Wir fahren gerade am Grand Canyon vorbei!« Und dann musste meine Mutter jedes Mal lachen und erklärte: »Genau das haben meine Eltern auch immer zu mir gesagt, als ich noch klein war!« Nachdem ich das Gleiche inzwischen auch zu meinen eigenen Kindern gesagt habe (»Legt doch
Harry Potter
bitte mal zur Seite!Das da draußen ist der Pazifische Ozean!«), frage ich mich, wie viele Generationen das zurückreicht? Wie viele meiner Vorfahren, die nach Amerika auswanderten, mussten ihre Kinder ermahnen: »Legt doch bitte mal die Bücher hin. Seid ihr denn gar nicht neugierig auf unsere neue Heimat?«
Die Menschen, die mir in Büchern begegneten, erschienen mir immer sehr wirklich und wurden zu Freunden meiner Jugend. Da lag es für mich nahe, dass aus meiner Liebe zu Büchern der Wunsch wurde, selbst welche zu schreiben.
Da ich jedoch auch Artikel in der örtlichen Tageszeitung und dem
Time- Magazin
las sowie Berichte aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise, der »Großen Depression«, wusste ich, dass ich nicht einfach drauflosschreiben konnte, sondern erst einmal eine ordentliche Ausbildung absolvieren musste. Als ich aufs College kam, wählte ich »Kreatives Schreiben« als Hauptfach, studierte aber auch Journalistik (und – nur zum Spaß – Geschichte). Abgesehen von den Sommerferien nach meinem ersten Collegejahr, in denen ich als Hilfsköchin in einem Zeltlager meines Jugendklubs arbeitete (was mir unglaublich viel Spaß machte), hat alles, was ich seitdem gemacht habe, in irgendeiner Form mit Schreiben zu tun. Auf dem College arbeitete ich nebenbei für die Studentenzeitung und absolvierte Praktika bei Zeitungen in Urbana, Ohio, in Charlotte, North Carolina, und in Indianapolis, Indiana. Nach dem College arbeitete ich zunächst als Redakteurin bei einer Zeitung in Fort Wayne, Indiana, um bald darauf nach Indianapolis zurückzuziehen und auch dort als Redakteurin zu arbeiten.
Auch wenn es mir damals noch nicht klar war, sammelte ich in diesen frühen Jahren meines Lebens Themen, über die sich schreiben ließ. Auf der High School wirkte ich in Schulaufführungen mit, spielte Block- und Pikkoloflöte in der Marchingband und in Orchestern, sang im Schulchor, arbeitete für die Schülerzeitung, versuchte mich einmal als Langläuferin, war Mitglied des Jugendförderkreises unserer Gemeinde und arbeitete als freiwillige Helferin in meiner Kirchengemeinde und im Jugendklub. (Fallsdu mich jetzt für ein vielfach begabtes Wunderkind halten solltest, möchte ich darauf hinweisen, dass ich weder singen noch Theater spielen und als Läuferin nur wirklich gut langsam gehen kann. Doch einer der Vorteile von kleinen Schulen ist, dass sie einen dort so gut wie alles ausprobieren lassen, solange man keine Angst davor hat, sich zu blamieren.) Mit die beste Erfahrung meiner Collegezeit war ein Auslandssemester in Luxemburg. In einem fremden Land zu leben ist eine wunderbare Art, sich zu zwingen, über wichtige Fragen nachzudenken, wie zum Beispiel: »Wer bin ich?«, »Was macht mich als Person aus?«, »Warum glaube ich an das, was ich glaube?«, »Was erhoffe ich mir vom Leben?«, »Was prägt die Menschen um mich herum?« »Warum glauben sie an das, was sie glauben?«, »Was erhoffen sie sich vom Leben?«
Mehr als alles andere war es meine Zeit als Journalistin, die mir Gelegenheit bot, viele verschiedene Menschen in sehr unterschiedlichen Situationen kennenzulernen. Es hat mich immer wieder erstaunt, dass ich mich mit Leuten zum Gespräch setzen und ihnen ungeheuer neugierige Fragen stellen durfte (die sie mir auch fast immer beantworteten), nur weil ich von der Zeitung war. Als Reporterin war ich lange Zeit für alle möglichen Bereiche zuständig, was bedeutete, dass ich an einem Tag vielleicht über einen Brand berichtete, am nächsten über einen bedeutenden wissenschaftlichen Durchbruch und am übernächsten über einen Politiker. (Und an besonders hektischen Tagen musste ich gleich
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