Die Invasion - 5
Weise entgegenkommen!«
In ernstem Schweigen nickten die anderen, und wieder wandte Meister Dahryus seine Aufmerksamkeit dem Priester zu.
»Also gut. Wenn Sie das nächste Mal Gelegenheit haben, mit unserem Freund zu sprechen, richten Sie ihm aus, es werde zumindest einiges an Zeit brauchen, um die Vorbereitungen zu treffen, auf die wir uns hier geeinigt haben. Sollte er wirken, als werde er allmählich ungeduldig, betonen Sie mit Nachdruck, welche Schwierigkeiten es bereitet, einen sicheren Ort zu finden, an dem wir uns notfalls auch werden verteidigen können, wenn der eigentliche Angriff erfolgt ist. Sagen Sie ihm, wir würden unsere Vorbereitungen so rasch wie möglich abschließen und ihn informieren, sobald alles bereit sei. Und es mag durchaus ratsam sein, ihm gegenüber anzudeuten, er möge sich schon Mittel und Wege überlegen, wie er die Aufmerksamkeit der Kaiserin auf Sankt Agtha lenken könne.«
»Bei allem Respekt, wollen wir wirklich, dass er das tut, bevor unsere Vorbereitungen abgeschlossen sind?«, fragte der Priester nach.
»Ich denke, es wäre besser, die Grundlage dafür so weit wie möglich im Voraus zu schaffen«, erwiderte Halcom. »Wenn man bedenkt, wie kompliziert und hektisch Sharleyans Leben im Augenblick sein muss, wie viele von Caylebs Ratgebern auch bereitstehen mögen, ihr behilflich zu sein, ist es doch unwahrscheinlich, dass sie die Zeit finden wird, einen Besuch dort anzuberaumen, bevor wir unsere Vorbereitungen abschließen können. Selbst wenn unser Freund sich ungeschickter dabei anstellt, Sankt Agtha Sharleyan gegenüber zu erwähnen, als ich das vermute, wird sie doch nicht einfach von einem Moment auf den anderen dorthin aufbrechen können.«
Der Priester nickte. Halcom holte tief Luft, schob seinen Stuhl zurück und erhob sich.
»Dann, meine Kinder«, sagte er, hob die Hand und schlug das Zeichen des Zepters, »geht nun, mit Gottes Segen und in Langhornes Obhut! Vergesst nicht, welche Hingabe und Liebe Gott und den Erzengeln zustehen; lasst euch von der Stärke, die diese Liebe euch bringt, festigen und eure Hand leiten, euer Herz und euer Denken, wenn wir Gott und Mutter Kirche gegen alle Feinde des Lichtes zu Diensten sind!«
.VI.
Der Tempel, Stadt Zion,
die Tempel-Lande
»Na, das dürfte ja mal eine interessante Haus- und Nutztierausstellung werden«, murmelte eine leise Stimme. Vikar Samyl Wylsynn blickte auf, als sein Bruder sich in den Sessel neben dem seinen sinken ließ.
»Das erscheint mir nicht gerade die taktvollste - oder gefahrloseste - Bemerkung zu sein«, gab Samyl noch leiser zurück.
»Vielleicht nicht, aber das macht es noch lange nicht falsch.« Hauwerd Wylsynn grollte es fast.
»Nein«, pflichtete Samyl ihm bei.
»Na dann.« Hauwerd zuckte mit den Schultern, und Samyl verzog das Gesicht.
Eigentlich befanden sich rings um die beiden Brüder Wylsynn genügend freie Sitzplätze. Sie hätten nicht zu befürchten brauchen, jemand könne private Gespräche zwischen ihnen belauschen. Andererseits hatte Samyl nicht so lange überlebt, indem er unnötige Risiken eingegangen war. Trotzdem verstand er sehr wohl, warum seinen jüngeren Bruder so deutlich gemischte Gefühle plagten, während sie, gemeinsam mit vielleicht vierzig oder fünfzig anderen Vikaren und Erzbischöfen, darauf warteten, dass das Tribunal zusammentrat.
Wie lange haben wir jetzt Belege für Korruption gesammelt - vor allem im Offizium der Inquisition?, fragte sich Samyl innerlich. Wir müssen doch schon genug zusammengetragen haben, um mindestens ein Dutzend Kisten damit zu füllen! Große Kisten! Und all dieser Jahre zum Trotz, trotz all unserer Bemühungen, wurde bislang noch nicht eine einzige Person ernstlich belangt. Und jetzt das hier!
Es hatte Zeiten gegeben, da war Samyl ernstlich versucht gewesen, seine weltfremden, weil hochidealistischen Ziele aufzugeben. Die Wahrscheinlichkeit, dabei tatsächlich Erfolg zu haben, selbst wenn es ihm eines Tages - wann auch immer - gelingen sollte, das Amt anzutreten, das Clyntahn und auch schon dessen Vorgänger so gründlich korrumpiert hatten, war verschwindend gering. Das wusste Samyl. Das hatte er schon immer gewusst. Und selbst wenn es ihm irgendwie gelänge, tatsächlich sein Ziel zu erreichen, würde er anschließend doch nur gegen im wahrsten Sinne des Wortes Generationen tief verwurzelten Widerstands und Eigennutzes antreten müssen. Doch Samyl war nun einmal, wer er war, und die endlose (und meist undankbare) Aufgabe, die
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