Die Invasion - 5
Aufmerksamkeit wieder dem Priester zu.
»Darf ich davon ausgehen, dass Ihnen die Antwort auf unseren letzten Gegenvorschlag vorliegt?«
»Ja, dem ist so. Unser Freund denkt, das, was Ihr vorgeschlagen habt, müsse sich auch umsetzen lassen, vorausgesetzt, sowohl in Charis als auch in Chisholm sind die notwendigen Vorbereitungen getroffen. Er hat sich bereit erklärt, die Ereignisse in die erforderliche Richtung zu lenken.«
»Und hat er auch schon Pläne gefasst, um die Lage, die sich anschließend ergeben wird, zu konsolidieren?« Als Halcom diese Frage stellte, kniff er angestrengt die Augen zusammen, und sein Gegenüber zuckte mit den Schultern.
»Er hat gesagt, er sehe keinerlei Notwendigkeit, das zum gegebenen Zeitpunkt zu tun. Oder vielmehr, es sei unnötig riskant, sich in diesem Abschnitt der Planungsphase noch mit anderem zu befassen. Wie unser Freund schon gesagt hat: Derzeit hat er keine sonderlich starke Basis, auf die er zurückgreifen könnte, und er ist sich nicht ganz sicher, welche seiner mutmaßlichen Unterstützer sich als weniger begeistert herausstellen könnten, sollten sie das ganze Ausmaß des Plans begreifen. Also hat er die Absicht abzuwarten, bis der Zeitpunkt gekommen ist, und dann zu improvisieren. Ich vermute, er hegt die Hoffnung, weitere Unterstützer zu finden, wenn die chisholmianische Delegation dieses neuen Imperialen Parlamentes erst einmal in Tellesberg eingetroffen ist. Und selbst wenn ihm das nicht gelingen sollte oder wenn er zu dem Schluss kommt, es sei doch zu riskant, einen solchen Versuch zu unternehmen, sollte ihm allein schon die Tatsache, dass er der Einzige im Palast ist, der weiß, was kommen wird, die Möglichkeit bieten, daraus Vorteile zu ziehen. Das ist zumindest das, was er selbst sagt, und ich bin durchaus geneigt anzunehmen, dass er uns die Wahrheit erzählt, was seine Pläne und Absichten betrifft.«
»Was Ihrer Bemerkung hinsichtlich seiner eigenen Motivationen nur noch mehr Gewicht verleiht, nicht wahr?«, merkte Halcom ein wenig betrübt an.
»Genau. Andererseits solltet Ihr auch nicht vergessen, dass Einwände unseres Freundes und alle Lageeinschätzungen, die er erwähnt hat, voll und ganz aufrichtig waren. Zumindest sehe ich das so. Es gibt ganz offensichtlich Grenzen, die er nicht zu überschreiten bereit ist.«
Der warnende Tonfall in der Stimme des Priesters war unverkennbar, und Halcom nickte.
»Dessen bin ich mir bewusst. Und wenn ich der Ansicht wäre, seine Analyse der Konsequenzen unseres eigenen Vorschlages sei richtig, wäre ich auch voll und ganz bereit, diese Grenzen zu respektieren. Bedauerlicherweise täuscht er sich. Sein ganzer Plan wird ihm mit viel zu großer Wahrscheinlichkeit um die Ohren fliegen, und wenn dem so ist, dann wird das auch uns treffen und damit auch unsere ureigenste Aufgabe. Ich fürchte, letztendlich läuft seine Idee darauf hinaus, dass sich unsere Lage noch verschlimmert, weil alles, was er vorschlägt, Sharleyan langfristig stärken wird. Ihr dürft niemals vergessen, meine Kinder, dass unsere neue Kaiserin eine gefährliche, intelligente und entschlossene Frau ist! Eine Frau, die sich nicht nur in Chisholm immenser Beliebtheit erfreut, sondern die zunehmend auch hier in Charis die Herzen und die Treue des Volkes erobert. Das macht sie in Caylebs Hand zu einer gefährlichen Waffe, und ihm diese Waffe aus der Hand zu schlagen, wird deutlich schwieriger werden, als unser Freund zu glauben beliebt.«
»Das ... bedaure ich«, entgegnete der Priester leise. »Wie Ihr selbst gerade eben noch gesagt habt, ist Sharleyan wahrlich keine boshafte Frau, und sie war es auch nie, so entsetzlich die Sünde auch sein mag, der sie anheim gefallen ist.«
»Das Böse ist verführerisch«, gab Halcom beinahe ebenso leise zurück. »Es kann nicht mit Waffengewalt gewinnen, es sei denn, gottesfürchtige Menschen ließen dies zu. Und wenn die Maske nicht so schön und so verführerisch wäre, dann wäre die Hölle gänzlich leer, nur Shan-wei selbst würde darin leiden. Doch die Hölle ist nicht leer, mein Sohn, und so gut Sharleyans ursprüngliche Absichten auch gewesen sein mögen, für wie gut Sharleyan sie immer noch halten mag, sie steht jetzt ganz und gar im Dienste Shan-weis. Und damit ist Sharleyan, wie sympathisch sie auch ist, wie anziehend ihre Anmut und ihr Liebreiz, ihr Verstand und ihre Herzensgüte auch scheinen, eine Feindin Gottes. Und Gottes Feinden darf man keinerlei Gnade gewähren, noch ihnen in irgendeiner
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