Die Invasion - 5
Großinquisitor feststellen müssen, dass ein Großteil des bisherigen Erfolgs, den die Inquisition bei derartigen Dingen gehabt hatte, darauf zurückzuführen war, dass noch nie zuvor ein Land oder ein Reich es gewagt hatte, der Kirche offen entgegenzutreten. Hier ging es nicht um irgendwelche schmierigen, schlecht gemachten Pamphlete, die irgendein unzufriedener Spinner in seinem kleinen, dreckigen Keller druckte. Die Flugschriften der Charisianer waren von ebenso hoher Qualität wie alles, was die Inquisition oder das Offizium der Kirchenlehrer jemals verteilt hatten, und in jeder Hafenstadt tauchten sie auf geheimnisvolle Weise zu Tausenden auf.
Und im Gegensatz zu allem, was wir vorweisen können, haben diese Schreiben der Charisianer auch noch den unfairen Vorteil, tatsächlich die Wahrheit zu verkünden, nicht wahr, Zhaspahr?, dachte der Kanzler grimmig.
Trynair zog in Erwägung, diese Frage laut auszusprechen, doch das verkniff er sich. Zum einen war es eigentlich gar nicht von Bedeutung - Geschehenes ließ sich schließlich nicht rückgängig machen. Zum anderen vermochte nichts, was er hier und jetzt sagte, Clyntahns Einstellung zu ändern. Trynair wusste auch, dass jeglicher Versuch, die ›Version‹ des Großinquisitors anzufechten, durchaus ... gefährlich sein mochte.
»Wie dem auch sei«, fuhr Clyntahn kurz darauf fort, »habe ich Anweisungen an jeden Intendanten und jeden ranghöheren Inquisitor geschickt. Die Laien fassen wir immer noch mit Samthandschuhen an - vorerst, zumindest. Aber es wird Zeit, dem Klerus zu erläutern, dass es längst keine Möglichkeit mehr gibt, das Ganze mit irgendeinem halbherzigen Kompromiss beizulegen ... wenn eine solche Möglichkeit überhaupt jemals bestanden hat! Glauben Sie mir, sie werden schon bald begreifen, dass wir keinerlei Defätismus und keinen Mangel an Enthusiasmus dulden!«
»Ich wünschte, Zhaspahr«, brach Trynair das kurze Schweigen, das sich über den Esstisch gesenkt hatte, »Sie hätten mich wenigstens über Ihre Absichten in Kenntnis gesetzt, bevor Sie diese Anweisungen verschickt haben. Schließlich bin ich immer noch der Kanzler. Die Erzbischöfe und Bischöfe hätten gleichzeitig zumindest ein kurzes Schreiben von mir erhalten sollen.«
»Wie der Schueler-Orden, die Intendanten von Mutter Kirche und das Offizium der Inquisition handeln, liegt in meiner Verantwortung, Zhahmsyn«, gab Clyntahn kühl zurück. »Sie können natürlich jegliche Anweisungen an die Erzbischöfe und Bischöfe schicken, die Sie für richtig halten. Aber es ist Aufgabe der Inquisition, dafür zu sorgen, dass alle Priester im Dienste von Mutter Kirche genau wissen, wenn es um die spirituelle Reinheit und die Reinheit der Lehre geht, was von ihnen erwartet und von ihnen verlangt wird!«
Trynairs Nasenflügel bebten. Er ertrug jedoch schweigend den Zorn, der in ihm aufwallte. Was Clyntahn gerade gesagt hatte - in seiner ihm eigenen, unnachahmlichen Art -, entsprach voll und ganz der Wahrheit. Trynair zweifelte nicht daran, dass die Art und Weise, wie Clyntahn damit umging - und ebenso auch der halbfinstere Ausdruck auf seinem Gesicht - eine direkte Folge der Art und Weise war, in der der Kanzler mit ihm über die Ereignisse in Ferayd ... gesprochen hatte. Das aber änderte nichts am Wahrheitsgehalt dessen, was Clyntahn gerade gesagt hatte. Und es änderte auch nichts daran, dass es wichtig war, sehr vorsichtig mit ihm umzugehen. Dennoch gab es hier etwas, das unbedingt klargestellt werden musste.
»Ich habe nie behauptet, es liege nicht in der Verantwortung der Inquisition, die Zuverlässigkeit und die Reinheit der Lehre sicherzustellen, Zhaspahr«, sagte Trynair mit ruhiger und doch fester Stimme. »Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass es altehrwürdige Traditionen und Vorgehensweisen gibt, in der derartige Botschaften und Anweisungen zu verbreiten sind. Das wissen Sie ebenso gut wie ich ... und die Bischöfe wissen es ebenfalls. Wenn wir jetzt anfangen, Anweisungen zu verschicken, die wir für alle offensichtlich nicht miteinander abgesprochen haben, dann wird das nur zu einer gewissen Verwirrung führen und die Bischöfe dazu bringen, sich zu fragen, ob wir die Lage wirklich fest im Griff haben. Und ich denke nicht, dass einer von uns beiden das will, oder?«
Ruhig hielt er Clyntahns Blick stand, zwang sich dazu, nicht einmal zu blinzeln, so unwohl er sich dabei auch fühlte. Er fühlte sich beinahe wie ein Dompteur, der einem wilden Tier im Käfig seinen
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