Die Invasion - 5
schenken und uns Deinen wahren Willen erkennen zu lassen. Wie der Heilige Langhorne uns gelehrt hat, bist Du und Du allein die Zuflucht der Gerechten. Bewahre uns vor der Böswilligkeit und dem Gift Shan-weis, und gib uns Kraft, da wir die Rüstung Deiner wahren Krieger anlegen. Schütze uns vor all jenen, die Deine Heilige Kirche besudeln und ihr im Namen der Boshaften trotzen. Es gibt keine Finsternis, die Dein Licht nicht zu erhellen vermöchte, und keinen Feind, den Du in Deiner Stärke nicht zu bezwingen vermagst. Leite uns an, führe uns und mache uns zu Deinem Schwert im Kampf gegen die Mächte der Hölle! In Langhornes heiligem Namen, Amen.«
»Ich danke Ihnen, Pater«, wiederholte Hektor. Dieses Mal klang seine Stimme deutlich sanfter. Dann hob er wieder den Kopf. Erneut schaute er sich am Tisch um und richtete den Blick auf den Grafen Coris.
»Ich gehe davon aus, dass Sie Taryls Depesche bereits gelesen haben, Phylyp?«
»Das habe ich, Mein Prinz.« Coris' Miene wirkte sehr grimmig.
»Und wie denken Sie darüber?«
»Mein Prinz, Admiral Tartarians Urteil wäre gewiss in dieser Hinsicht ungleich zuverlässiger als das meine.«
»Das ist womöglich wahr. Dennoch würde ich gern zunächst Ihre Meinung hören, bevor wir uns mit seiner Sicht der Dinge befassen. Ich habe höchsten Respekt vor dem Urteilsvermögen des Admirals und ebenso für das Rysels. Aber beide sind Männer des Militärs. Ich halte es zumindest für möglich, dass Ihnen eine Idee gekommen ist, die diesen beiden erfahrenen Männern gerade auf Grund ihrer Erfahrung entgangen sein könnte. Und für den Fall, dass dem tatsächlich so ist, würde ich Ihre Meinung gern hören, bevor die militärische Erfahrenheit des Admirals und des Grafen unsere Gedanken vielleicht in gänzlich andere Richtungen lenkt.«
»Selbstverständlich, Mein Prinz.« Einen Moment lang schürzte Coris die Lippen und ordnete offenkundig seine Gedanken, dann beugte er sich am Tisch ein wenig vor.
»Das Erste, was mir durch den Kopf geht, Mein Prinz, ist, dass man die Charisianer vor Cape Targan gesichtet hat, nicht vor Tear Island. Den Berichten zufolge klingt es so, als steuerten sie entweder die Tralmyr-Passage oder die Coris-Meerenge an.« Angesichts der Vorstellung, wie nahe die Charisian Navy seiner eigenen Grafschaft kommen würde, verzog Graf Coris gequält das Gesicht. »Das ist wohl kaum der direkteste Kurs von Charis aus. Aber es ergäbe durchaus Sinn, wenn Cayleb Port Royal passieren würde, um zu Sharpset und den ... nun, Überresten der Chisholmian Navy zu stoßen. Aber aus irgendeinem Grund denke ich, die Antwort wird nicht ganz so einfach sein ... oder so akzeptabel.«
»Warum nicht?« Hektors Ton ließ vermuten, er wisse bereits, worauf der Leiter seiner Spionageabteilung hinauswollte.
»Weil Sir Farahk Hyllair Großherzog Zebediahs Schwager ist, Mein Prinz«, gab Coris tonlos zurück, und nun war es an Hektor, gequält das Gesicht zu verziehen. Sir Farahk Hyllair war der Besitzer der Baronie Dairwyn. Es hatte schon des öfteren Momente gegeben, in denen der Prinz bedauert hatte, Dairwyn durch Eheschließung ein Bündnis mit Großherzog Zebediah eingehen zu lassen. Damals war es ihm, wie bei so vielen anderen Dingen auch, eine gute Idee erschienen, Zebediah eng an einen der Barone zu binden, denen Hektor noch am ehesten vertraute - einen Baron, dessen recht spärlich besiedelte Baronie so viel königliche Schirmherrschaft brauchte, wie sie nur bekommen konnte.
»Dass Cayleb sich dafür entschieden hat, uns gänzlich zu umfahren und die Chisholmianische See zu erreichen, damit er sich uns von Norden nähern kann, nicht von Süden, könnte natürlich Verschiedenes bedeuten«, fuhr Coris fort. »Aber ich fürchte, die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass er auf dem Weg Carmyn angesteuert hat.«
»Glauben Sie wirklich, Dairwyn könne Euch verraten, Euer Hoheit?«, fragte Anvil Rock unaufgeregt.
»Ganz offen gesprochen? Ich weiß es nicht.« Hektor zuckte mit den Schultern. »Normalerweise würde ich sofort sagen: nein. Und das aus mehrerlei Gründen. Aber in letzter Zeit ist es um die Normalität nicht sonderlich gut bestellt, nicht wahr? So sehr es mir auch widerstrebt, es zuzugeben, aber im Augenblick schaut sich ein jeder ängstlich um und fragt sich, was wohl mit ihm geschehen wird, sollten wir im Kampf gegen Cayleb unterliegen. Und wie Phylyp gerade schon angemerkt hat: Dairwyn ist Zebediahs Schwager.«
»Uns liegen keinerlei Hinweise dafür
Weitere Kostenlose Bücher