Die IQ-Kids und die geklaute Intelligenz (German Edition)
stehen. Die Rufe seines Vaters, er solle noch mal zur Tür kommen, ignorierte er einfach. „Warum muss ich so einen Vater haben?“, fragte er Anna Lísa, obwohl er wusste, dass sie darauf keine Antwort hatte.
„Pfff, meiner ist auch nicht viel besser“, entgegnete sie. „Er hat nur keine Videokamera.“ Sie zurrte das Haargummi an ihrem Pferdeschwanz fest, zupfte an ihrer Bluse herum und schaute dann zu Raggi. „Sehe ich okay aus?“
Raggi sah sie an und zuckte die Achseln. „Äh, ich weiß nicht. Du hast jedenfalls keine Flecken auf den Klamotten oder so was.“ Er ließ seinen Blick über die anderen Teilnehmer schweifen, die sich in der Eingangshalle versammelt hatten, und flüsterte ihr dann zu: „Ich glaube, die anderen machen sich keine großen Gedanken über ihre Klamotten.“
Anna Lísa betrachtete die Gruppe. Raggi hatte eindeutig recht. Die bunt zusammengewürfelte Gruppe war nicht gerade nach der neuesten Mode gekleidet. Die meisten schienen nur etwas anzuhaben, um nicht nackt zu sein. Und sie hatten so viele Bücher dabei, wie Anna Lísa zuletzt in der Bücherei gesehen hatte. Außerdem waren sie dafür, dass es so viele waren, ungewöhnlich ruhig. In der Sundschule mussten nur drei Schüler zusammenkommen, um einen ordentlichen Lärmpegel zu verursachen. Nein, das waren anscheinend keine normalen Schüler. „Oh Gott!“, flüsterte sie Raggi zu. „Das wird bestimmt total seltsam.“
Raggi nickte und fragte Anna Lísa leise: „Weißt du, was wir jetzt machen sollen?“
„Nee, wir sollen wohl hier warten. Das tun zumindest alle. Am besten, wir verhalten uns so unauffällig wie möglich und machen einfach dasselbe wie die anderen. Dann merken sie vielleicht nicht, dass wir eigentlich gar nicht hier sein sollten.“
Anna Lísa und Raggi blieben ruhig stehen und warteten mit den anderen. Sie taten ihr Bestes, um intelligent zu wirken, wobei keiner von ihnen so genau wusste, wie man dabei aussehen sollte. Es brachte nichts, sich an der Gruppe zu orientieren, denn alle waren sehr unterschiedlich. Zumindest konnten sie keinen typischen Gesichtsausdruck feststellen, den man nachahmen konnte. Aber es schien auch egal zu sein, denn niemand schaute sie misstrauisch an. Raggi und Anna Lísa waren ganz zufrieden mit sich, als endlich etwas passierte.
Ein ernst aussehender Mann trat in die Mitte der Gruppe, zusammen mit einer Frau in einem weißen Kittel, die eine große Mappe und einen Stift in der Hand hielt. Laut und feierlich sagte er: „Willkommen bei Biokids , liebe Kinder. Es ist mir eine große Freude, euch alle hier zu sehen.“ Lächelnd blickte er auf sie herab. Anna Lísa fand sein Lächeln nicht sehr überzeugend, es erinnerte daran, wie Verkäufer in Geschäften manchmal lächelten. Der Mann hörte auf zu lächeln und sprach weiter: „Ich will nicht viele Worte verlieren, ihr wisst ja alle, warum ihr hier seid. Deshalb erkläre ich euch nur kurz, wie es weitergeht. Ich bin Dr. Guðgeir Bjargmundsson und leite diesen Sommer den Ferienkurs. Einige von euch kennen mich vielleicht aus den Nachrichten. Ich bin der Leiter und Gründer der Firma Biokids , die den Ferienkurs ausrichtet.“ Dr. Guðgeir hörte auf zu reden und blickte zu der Frau neben sich. Rein äußerlich schien sie eine noch größere Stimmungskanone zu sein als er – sie runzelte die Stirn und machte ein beleidigtes Gesicht. „Das ist meine Assistentin, sie wird bei dem Ferienkurs meine rechte Hand sein und einen Teil des Unterrichts übernehmen.“ Die Frau machte einen missglückten Versuch zu lächeln. Ihr Lächeln war noch unnatürlicher als das von Dr. Guðgeir, und ihrem Gesicht nach zu urteilen, hätte sie wohl lieber Läuse als Kinder zu Besuch. Dr. Guðgeir fuhr fort: „Hier bei uns im Haus finden wichtige Forschungen statt, und ihr dürft unter keinen Umständen etwas anfassen, wenn ihr keine Erlaubnis dafür habt. Das gilt auch für sämtliche Geräte. Vielleicht findet ihr es verlockend, im Haus herumzuklettern oder zu rennen, aber das ist absolut verboten. Das gilt auch für das Gelände draußen. Lärmen und Toben ist streng verboten. Wenn ich mitbekomme, dass einer von euch an den Säulen hochklettert, wird er sofort nach Hause geschickt und darf nicht mehr wiederkommen. Diese Säulen haben viele Millionen Kronen gekostet und sind noch nicht ganz fertig, es fehlen noch Befestigungen. Habt ihr das verstanden?“ Alle nickten.
Zufrieden mit der Zustimmung, sprach Dr. Guðgeir weiter: „Also, als
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