Die irische Meerjungfrau
Spinnerei. Aber dann beschlossen wir, dass wir’s denen zeigen wollten. Wollten ihnen beweisen, dass wir so ein Ding ganz alleine durchziehen konnten.«
»Wem beweisen?«, wagte Fin einen Einwurf.
Billy antwortete nicht, aber Fin glaubte auch so, die Antwort zu kennen.
»Genau genommen hatte mein Vater mich auf die Idee gebracht«, fuhr Billy fort, »verstehen Sie mich nicht falsch, O’Malley, Joey hatte absolut nichts mit der Sache zu tun. Aber er hat mir halt dauernd von diesem schwerreichen Typen erzählt, für den er arbeitete. Hat mir von den Gäulen vorgeschwärmt. Ich hab bis dahin nicht mal geahnt, was so ’n Hengst wert ist. Da wechseln Unsummen den Besitzer. An Shergar hatte sogar die Queen einen Anteil, wussten Sie das? Da hab ich halt meinen Alten ’n bisschen ausgehorcht. Joey wusste nichts von dem Plan. Ehrenwort. Trotzdem hat er natürlich geahnt, dass ich dahintersteckte. Auch wenn er’s mir nie auf den Kopf zugesagt hat. Verziehn hat er’s mir nie. Schließlich wurde er nach der Geschichte gefeuert, weil sein Sohn zu den Verdächtigen zählte. Das hatte ich natürlich nicht gewollt, aber es war nicht mehr zu ändern. Er hat sich dann als Fischer versucht, auch wenn das nie sein Ding war. Bis vor drei Jahren …« Seine Stimme wurde eine Spur rauer, fast ein wenig wehmütig. »Irgendwie bin ich wohl nicht ganz unschuldig an seinem Tod …« Er steckte sich eine neue Zigarette an.
»Und Shergar?«
»Alles in allem ein Dumme-Jungen-Streich, der ein klein wenig aus dem Ruder lief.« Ohne Hast blies er eine fette Wolke Zigarettenqualm vor sich hin. Beobachtete, wie der Wind sie forttrug. Nebel, der sich über der Vergangenheit lichtete. »Es war so verdammt einfach. Wir schnappten uns Fitzgerald, Shergars persönlichen Pfleger. Nach Feierabend, zu Hause. Sean und Micky hielten die Familie in Schach, während er uns half, den Hengst in den Anhänger zu laden. Er hat sich fast in die Hosen gemacht.« Er lachte. »Keinerlei Sicherheitsvorkehrungen, keine Wachen, nicht mal ne Alarmanlage. Niemand hatte mit so was gerechnet. Wir konntens gar nicht fassen. Keine Stunde hats gedauert, da war der Gaul auf dem Hänger und wir auf und davon. Fitzgerald haben wir erst mal mitgenommen.« Er betrachtete die brennende Zigarettenspitze, als könnte er darin die Ereignisse von damals abrufen wie die Zukunft in der Kristallkugel einer Wahrsagerin. »Unterwegs haben wir ihn laufen lassen. Unser erster Fehler. Wahrscheinlich der entscheidende.« Die blauen Augen streiften Fin. »Wir hätten ihn mitnehmen sollen. Dann wäre vieles anders gelaufen.«
»Wo haben Sie Shergar versteckt? In Foley?«
»Foley …«, sinnierte Billy bedächtig, »ich glaube, ab dem Moment, als wir in Foley ankamen, lief irgendwie alles schief. Als Erstes mussten wir den Pferdeanhänger loswerden. Er war zu auffällig. Wir gingen davon aus, dass uns mittlerweile die gesamte irische Polizei auf den Fersen war. Wir konnten nicht wissen, dass Shergars Besitzer die Bullen erst im Lauf des nächsten Tages einschalteten. Und dann kam uns der Zufall zu Hilfe. An diesem Tag gab es in ganz Irland Pferdeshows und Auktionen, die Straßen waren voll von Transportern und Autos mit Pferdeanhängern. Das hielt die Polizei erst mal ne Weile auf Trab.«
»Und da haben Sie den Anhänger im Meer versenkt.«
»Sie glauben gar nicht, wie tief so ein Hafenbecken sein kann.«
Zumindest dieser Teil von Nora Nichols’ Version stimmte offenbar.
»Gavin, ein alter Kumpel aus der Schulzeit, der konnte mit Pferden umgehen. Hat er jedenfalls behauptet. Der hatte nen großen Lkw besorgt. Hatte sogar ein zweites Pferd dabei, damit Shergar Gesellschaft hatte und sich nicht aufregte.« Billy schüttelte belustigt den Kopf. »Aber mit Pferden ist es nun mal genau wie mit Menschen. Manche vertragen sich untereinander, andere eben nicht, und der Gaul, den Gavin anschleppte, wollte ums Verrecken nicht zu Shergar in den Transporter rein. Machte ein Riesentheater, randalierte rum, dass ich schon fürchtete, der weckt das ganze Dorf auf. Micky und Sean haben ihn schließlich wieder weggebracht. Später haben sie mir erzählt, dass er ihnen kurz hinterm Dorf durchgegangen und in der Dunkelheit in einen Weidezaun reingesprungen ist. Sie mussten ihn erschießen.«
Auch dieser Teil von Noras Geschichte entsprach der Wahrheit. Mehr oder weniger. »Und Shergar?«
Billy überlegte einen Augenblick, wo er den Faden wieder aufnehmen sollte. Fin merkte ihm an, dass er kein noch
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