Die irische Meerjungfrau
der Leuchtturm in Frage gekommen, was der Wahrheit verdammt nah kam – für Fins Geschmack zu nah. Vor allem zu nah an Foley, dem Ort seiner persönlichen Niederlage. Nein, irgendein verlassenes Gehöft auf dem Moor war glaubwürdiger. Bei Bedarf würde er eins aus dem Hut zaubern, in Donegal standen genug davon herum.
Als Superintendent Ramsay nachhakte, wie ausgerechnet er es geschafft hatte, über den Van Gogh zu stolpern, wo alle Welt erfolglos nach der Stecknadel im Heuhaufen suchte, erzählte Fin etwas von akribischer Spurensuche und endlosem Klinkenputzen bei der Bevölkerung, nächtelangen Observationen und detektivischem Spürsinn, kurz, von handwerklich sauberer Polizeiarbeit. Es war Ramsay anzusehen, dass er ihm kein Wort glaubte.
Von den Keanes war keine Rede mehr. Als Ramsay ihn wider Erwarten fragte, wer denn wohl seiner Meinung nach die Drahtzieher dieses aberwitzigen Coups waren, war Fin kurz versucht, die ganze Sache Bo und Duffy Gomball anzuhängen und Nora Nichols als Kronzeugin zu laden. Er stellte sich schon vor, wie Superintendent Ramsay höchstpersönlich die Zeugenbefragung vornahm, verwarf aber den zugegeben äußerst reizvollen Gedanken letztendlich wieder. Stattdessen brachte er die Russenmafia ins Spiel, holte noch die IRA mit ins Boot und ließ auch islamistische Terroristen nicht unerwähnt, damit niemand sich zurückgesetzt fühlte. Jeder war ihm recht, solange sich die Polizei von Foley fernhielt. Sollten sie sich doch eine Spur aussuchen, ihm war es egal, für Fin zählte unterm Strich nur, dass er den Van Gogh heil zurückgebracht hatte. Das sollte doch genügen, um ein Held zu sein.
Tat es aber nicht.
Es war Superintendent Ramsay, der den Fahndungserfolg verkaufte, als sei es sein eigener. Als sei er höchstselbst in Gummistiefeln übers Moor gestapft, den Übeltätern hart auf den Fersen, die sich seiner Meinung nach über die Grenze nach Nordirland abgesetzt hatten, womit der Schwarze Peter wieder zu den Briten zurückgekehrt war. Bei der gutbesuchten Pressekonferenz sang Ramsay ein Loblied auf die irische Gardai im Allgemeinen und erwähnte Fins Anteil am Erfolg nur am Rande. Als in den Zeitungen dann der Name des ermittelnden Beamten mit Fintan Malloy angegeben wurde, wusste Fin, dass er sogar die hausinterne Pressestelle gegen sich hatte.
Es gab natürlich auch keine Belohnung, von einer Beförderung ganz zu schweigen. Ramsay erklärte, Fin solle froh sein, dass er ihn nicht einen Kopf kürzer mache für die dilettantischen Ermittlungen, schließlich sei es seine Schuld, dass der oder die Täter entkommen konnten. Außerdem war da noch die Sache mit dem Dienstwagen, den Fin auf unbegreifliche Weise in den Fluten des Atlantiks versenkt hatte.
Fins Kündigung kam überraschend. Sogar für Superintendent Ramsay, der allerdings schon immer gewusst hatte, dass Finbar O’Malley eine Niete ohne Rückgrat war.
Er sollte nie erfahren, was in Foley wirklich passiert war.
Kurz vor Weihnachten ging in London mit zwei Monaten Verspätung die Versteigerung des Van Gogh doch noch über die Bühne. Den Zuschlag erhielt ein anonymer Sammler zum Schnäppchenpreis von 75 Millionen Britischen Pfund. Eine solche Summe konnte sich kein öffentliches Museum leisten, und so war abzusehen, dass das Werk bald wieder in der Versenkung irgendeines Privatgemaches verschwinden würde.
Die Sache mit der Fälschung behielt Fin für sich. Eine bescheidene Rache, die ihm ein klein wenig Genugtuung verschaffte.
Einzig Lily fand, dass ihr Dad sich großartig geschlagen hatte, auch wenn er dafür in seinem Bericht die Verdächtigen noch etwas finsterer und die Ermittlungen noch etwas gefährlicher hatte machen müssen. Wenigstens in ihren Augen durfte er ein Held sein, und das war Balsam für seine Seele. Weniger großartig fand sie allerdings, dass er endlich in die Scheidung von ihrer Mutter eingewilligt hatte. Zwar zeigte sie mit ihren fünfzehn Jahren, dass sie erstaunlich viel Verständnis für die Situation ihrer Eltern aufbrachte, aber sie würde ihren Vater vermissen.
Denn Fin war mit einem großen Koffer unter dem Arm endgültig aus der ehemals gemeinsamen Wohnung ausgezogen, nur Lily hatte er einen Zettel mit seiner neuen Adresse in die Hand gedrückt. Sollten die Anwälte den Rest erledigen.
Ihm fiel nur ein einziger Ort ein, an dem er jetzt sein wollte. Nicht für immer, nur für eine Weile. So lange, bis er wusste, was er mit der zweiten Hälfte seines Lebens anfangen wollte.
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