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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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sich selbst in die Waagschale werfen.
    Er dachte nach. Diese Frage hatte ihm bisher noch niemand gestellt. Nicht einmal Susan. Die hatte mit ihren bissigen Kommentaren lediglich festgestellt,   dass   er zu viel trank. Nie gefragt,   warum   er es tat. Die Frage war ihm nicht einmal selber in den Sinn gekommen.
    »Also eigentlich finde ich nicht, dass ich zu viel …« Er hielt inne. Sah an ihrem Gesichtsausdruck, dass sie diese Antwort nie akzeptieren würde. Er suchte nach einem neuen Ansatz. »Ich weiß es nicht.« War immer eine gute Antwort.
    »Glaubst du, dass Dinge einfacher werden, wenn du dich betrinkst?«, half sie aus. »Dass sie sich leichter ertragen lassen?«
    Er wollte nicht darüber reden.
    »Dass du sie dir schönsäufst?«
    »Schönsäufst? Was?«
    »Was weiß ich?« Sie breitete die Arme aus, als wollte sie das ganze Universum miteinbeziehen. »Dein Leben?«
    »Mein Leben?«
    »Deinen Job. Deine Familie. Bist du verheiratet?«
    »Du bist also der Auffassung, eine Ehe kann nur funktionieren, wenn man sie sich schönsäuft?«
    Sie ignorierte seine gewagte Schlussfolgerung. »Bist du?«
    »Was?«
    »Verheiratet.«
    Er musste aufpassen. Durfte sein Lügengebäude nicht zu hoch stapeln, sonst krachte es am Ende in sich zusammen und er lag drunter. »Ja. Aber ich lebe von meiner Frau getrennt.« Er wollte offen sein. Wenigstens in diesem Punkt Klarheit. »Getrennt. Nicht geschieden. Hauptsächlich wegen meiner – unserer Tochter. Lily.«
    Zumindest diese eine Illusion wollte er aufrechterhalten, auch wenn sie schon längst Vergangenheit war. Lily war kein Kind mehr. Sie wusste Bescheid.
    »Eine kaputte Ehe wird aber nicht besser, wenn man sich besäuft.«
    »Verdammt, ich saufe nicht!«, sagte er mit Nachdruck. Und musste niesen.
    Er zerrte ein Taschentuch aus seiner Hose und putzte sich lange und ausgiebig die Nase. Warum ließ er sich das gefallen? Worauf zum Teufel wollte sie hinaus? Er war es nicht gewohnt, unangenehme Fragen zu beantworten. Normalerweise war er es, der sie stellte.
    »Dann bist du also rundum zufrieden mit deinem Leben, so wie es ist? Du wolltest nie etwas anderes sein? Etwas anderes machen?«
    Er entspannte sich. Auf diese Frage ließ sich schon eher eine Antwort finden.
    »Naja, wahrscheinlich könnte ich mehr daraus machen.« Wer konnte das von sich selber nicht behaupten? »Manches könnte anders sein, könnte besser laufen …« Er kramte in seiner bunten Sammlung von Allgemeinplätzen und Floskeln.
    »Shergar?«
    Er sah sie fragend an. Konnte ihren Gedanken nicht ganz folgen.
    »Angenommen, du bist derjenige, der das Rätsel löst …«
    Er dachte den Satz zu Ende. »Das wäre der Jackpot. Wenn ich den Fall Shergar –« Er biss sich auf die Zunge. In letzter Sekunde fiel ihm ein, dass er sich eine andere Rolle ausgesucht hatte. Das Vokabular war ähnlich, aber nicht das gleiche. »Es wäre die Story meines Lebens. Als Reporter würde ich in eine andere Liga aufsteigen.«
    Er trank den letzten Schluck Tee. Er war längst kalt.
    Die Musik aus der Wohnung war lauter geworden. Harte Gitarrenriffs attackierten das Schlagzeug, duellierten sich, um schließlich in einem donnernden Rhythmus zusammenzufinden. Dazu die Stimme von Plant, heiser, schrill, beinahe ein Kreischen.   Whole lotta love .
    »Und was wolltest du in deinem Leben alles anders machen?«
    Sie wandte ihm wieder den Rücken zu und schaute hinaus. Ihre Augen folgten der Linie des Horizonts. »Eine ganze Menge.«
    »Und was hast du bisher erreicht?«
    Von Nordosten klarte es auf. Einzelne Sonnenstrahlen bohrten sich durch die bleigraue Wolkendecke und malten gleißende Flecken auf die raue Wasseroberfläche. Sie lächelte, ohne den Blick vom Meer zu lösen. »Ich habe mir die Haare gefärbt und trage farbige Kontaktlinsen.«
    Also doch keine echte Meerjungfrau. Fin war um eine weitere Illusion ärmer. Aber irgendwie war er froh, dass sie keine Meerjungfrau war. Soweit er sich erinnern konnte, waren Geschichten mit Meerjungfrauen traurige Geschichten, die selten gut ausgingen.

13. Blue Boy
    Sie war wie ihre Katze.
    Launisch. Unberechenbar. Eigenwillig. Er durfte mit ihr spielen und sie kraulen, so lange bis etwas Neues ihren Weg kreuzte, das mehr Abwechslung versprach. Nichts weiter als ein Spielzeug, das ihr in absehbarer Zeit langweilig werden würde.
    Gefühle waren da keine im Spiel. Zumindest nicht auf ihrer Seite, da war Fin sich sicher. Es ging um Sex. Um nichts anderes. Und das war bei ihm, Fin, nicht

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